Anwalt beleidigt Richterin - und muss selbst auf die Anklagebank
In einer Gerichtsverhandlung beleidigte ein 43-jähriger Anwalt die Richterin. Dann musste er selber auf die Anklagebank.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Und ein Verteidiger darf im Strafprozess vieles behaupten. Aber auch seiner Wortwahl sind Grenzen gesetzt. Das musste nun ein Augsburger Rechtsanwalt zur Kenntnis nehmen, der in einer öffentlichen Hauptverhandlung laut Anklage einer Amtsrichterin vorgeworfen hatte, den Straftatbestand der Rechtsbeugung verwirklicht zu haben.
Anwalt wirft Richterin "Rechtsbeugung" vor
Der Fachanwalt für Strafrecht, 43, hatte einen Mann verteidigt, dem zur Last lag, in einem Bierzelt auf dem Plärrer einen Besucher mit der Faust geschlagen zu haben. Die damalige Amtsrichterin hatte einige Zeugen gehört, es sollte plädiert werden. Doch der Verteidiger beantragte, etliche weitere Zeugen zu vernehmen. Dies lehnte die Richterin, auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft, mit dem Hinweis ab, weitere Zeugen seien zur Urteilsfindung nicht erforderlich. Ein Beschluss nach der Strafprozessordnung, die den Verteidiger aber empörte. Sein Plädoyer leitete er mit den Worten ein: „Es ist der Straftatbestand der Rechtsbeugung verwirklicht worden“. Diesen schweren Vorwurf eines Verbrechens, das mit Freiheitsstrafen zwischen einem und fünf Jahren bestraft wird, ließ die Justiz nicht auf sich sitzen. Jetzt saß der Anwalt selbst auf der Anklagebank, Staatsanwalt Andreas Straßer warf ihm „im höchsten Maße ehrverletzende Beleidigung“ vor. Amtsrichterin Elke Bethge hatte darüber zu entscheiden.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Ich glaube da wird nur Rechtsbeugung verwirklicht.
Ich weiss ja nicht wieviele auch unschuldige Menschen Richter und Staatsanwälte durch Straftatvorwürfe beleidigen und es liegt natürlich und selbstverständlich im Ansehen der Person keine Beleidigung vor. Mehrklassenstrafrecht:
OLG Naumburg, Beschl. v. 17.06.2014 – 2 Rv 88/14
Der – vorgeblichen – Beleidigung eines Richters kommt keine höhere Bedeutung zu als der eines beliebigen anderen Mitbürgers
Rechtsbeugungsvorwurf gegenüber Richter als Werturteil einer Urteilskritik keine Beleidigung
Bayerisches OLG 1St RR 75/01 vom 13.07.2001; VGH des Freistaates Sachsen | Vf. 100-IV-10; Vgl. auch KG StV 1997, 485 (dort wird einem Richter vorgeworfen, absichtlich ein Fehlurteil herbeigeführt zu haben). Vgl. des Weiteren KG NStZ-RR 1998, 12 (Bezeichnung einer beisitzenden Richterin als hörig gegenüber dem Vorsitzenden) und OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 7; BVerfG NJW 1999, 2263. RGSt 47, 170, 171 sowie § 1 BRAO. BVerfGE NJW 2000, 200; OLG Bremen StV 1999
Auch wenn die beanstandete Rechtsbeugung des Anwalts keine war, so liegt wohl jetzt eine solche vor mit einem Verstoss gegen das "Willkürverbot" (VGH des Freistaates Sachsen | Vf. 100-IV-10).
Und dann auch noch ohne Prüfung des Wahrheitsgehalts: „Der Richter muß den Wahrheitsgehalt einer beanstandeten Aussage prüfen… Wahre Aussagen sind … hinzunehmen.“ (BVerfG in 1 BvR 232/97 vom 12.11.2002)
Und dann auch noch ohne, dass überhaupt von vornherein ein Rechtsschutzbedürfnis besteht:
„Verlogen und durchtrieben“ ist nicht immer ehrabschneidend (OLG Celle, Urteil vom 19.4.2012, 13 U 235/11)
„Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden."
Deshalb fehle in derartigen Fällen für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis.
Der Anwalt hat vollkommen korrekt zur Verteidigung des Angeklagten gehandelt:
Wenn es um eine Meinungsäußerung vor Gericht geht, darf „im Kampf ums Recht“ ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um polarisierend seine Meinung zu Gehör zu bringen; selbst personenbezogene starke Formulierungen können gestattet sein (BVerfG NJW 2000, 199).
BVerfG: Maßnahmen der öffentlichen Gewalt dürfen auch scharf kritisiert werden (Beschluss vom 24.07.2013, Az.: 1 BvR 444/13 und 1 BvR 527/13).
usw.