Dagmar Wöhrl: „Den Acht-Stunden-Tag können Gründer vergessen“
Die Nürnberger CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl wechselt ins Fernsehen. Im Interview spricht sie über "Die Höhle der Löwen" und warum eine gute Geschäftsidee allein nicht ausreicht.
Frau Wöhrl, wer arbeitet härter: Politiker oder Unternehmer?
Dagmar Wöhrl: Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt Politiker, die weniger arbeiten – und dann natürlich auch solche, bei denen genau das Gegenteil der Fall ist. Mein Mann hat oft zu mir gesagt: „Warum sitzt du noch nach Mitternacht am Schreibtisch? Kein Wähler sieht das.“ Politiker, die einen Wahlkreis betreuen, haben selten einen freien Samstag oder Sonntag. Bei Gründern, die für ihre Idee brennen, ist das ganz ähnlich.
Auf einen Acht-Stunden-Tag darf man sich als Jungunternehmer also nicht einstellen?
Wöhrl: Das kann man vergessen. Solange man Gründer ist, muss man ranklotzen und alles andere zu Priorität B erklären. Nur so kann man sein Unternehmen groß machen. Irgendwann muss man dann aber auch lernen, Arbeit abzugeben und vom Gründer zum Manager zu werden.
Sie haben sich für die CSU lange um Wirtschaftspolitik gekümmert. Was können die Gründer von Ihnen lernen?
Wöhrl: Es wird oft übersehen, dass ich ja aus der Wirtschaft komme. Ich war schon Unternehmerin, bevor ich in die Politik gegangen bin, und bin es auch heute noch. Während meiner Zeit als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium habe ich viel mit der Gründerszene zu tun gehabt und kenne dadurch die Schwächen und Stärken der Branche. Ich glaube, es schadet nicht, neben dem unternehmerischen auch den politischen Blickwinkel in die Sendung einzubringen.
"Die Höhle der Löwen" 2017: Wöhrl kommt "im Paket mit Mann"
Was unterscheidet Sie von den anderen Löwen?
Wöhrl: Ich bringe ein ganzes Familienkonsortium mit. Es war von Anfang an klar, dass es mich nur im Paket mit meinem Mann Hans Rudolf Wöhrl und meinem Sohn gibt. Mein Mann ist Unternehmer durch und durch. Er hat ein außerordentliches Wissen und Know-how und ist immer noch unwahrscheinlich begeisterungsfähig, auch für die ausgefallensten Ideen. Und mein Sohn Marcus, der die Hotelkette Dormero leitet, denkt auch mal quer und kann sich gut in die Gründerszene hineinfühlen.
Das Auftreten des Gründers spielt also eine große Rolle für Sie?
Wöhrl: Eine extrem große. Mir ist wichtig, wie der Mensch ist, der hinter dem Produkt steht. Das merkt man oft schon, wenn er im Studio ankommt. Manche sind sehr aufgeregt, andere sehr souverän. Ich achte dann nicht nur auf seinen Auftritt oder seine Präsentation, sondern auch auf seine Geschichte. Und natürlich frage ich mich, ob er sich reinhängt, ob er für seine Idee kämpft und ob er ausreichend Disziplin hat.
Aber reichen eine gute Idee und ein professionelles Auftreten aus, um in der Wirtschaftswelt zu bestehen?
Wöhrl: Als Unternehmer muss man natürlich auch ein funktionierendes Geschäftsmodell haben. Der Gründer sollte sich überlegt haben, wer seine Kunden sind und welchen Mehrwert sein Produkt für sie hat. Ich überlege mir dann auch: Würde ich das kaufen? Und dann müssen die Gründer natürlich komplementär aufgestellt sein. Es nützt nichts, wenn alle aus dem Gründer-Team das Gleiche studiert haben und das Gleiche können. Es muss ein Team sein, das sich ergänzt. Es braucht neben technischem Know-how und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse auch jemanden im Team, der kommunikationsstark ist.
"Die Höhle der Löwen": Müssen Insolvenzen schneller gehen?
Die Zahl der Gründungen ist auf einem historischen Tief. Warum ist es nicht angesagt, ein Gründer zu sein?
Wöhrl: Das liegt zum Teil auch an unserem Bildungssystem. Viele Lehrer haben eine negative Vorstellung vom Unternehmer. Wie sollen diese Lehrer dann junge Menschen motivieren, ein Unternehmen zu gründen? Wir müssen also dringendst Entrepreneurship mit in die Lehrpläne aufnehmen, in den Schulen und in den Hochschulen. Es gibt Zahlen, die belegen: Wer an einem Gründer-Planspiel in der Schule teilnimmt, macht sich später viel häufiger selbstständig.
Aber selbst wenn jemand sich entschließt, ein Unternehmen zu gründen, gibt es noch immer viele Hürden.
Wöhrl: Das stimmt. Wir müssen dringend über die Änderung unseres Insolvenzrechts nachdenken. Wenn jemand gescheitert ist, muss er sich schneller entschulden können, um so seine Handlungsfähigkeit wieder zu erlangen. Wagniskapital ist ein wichtiges Thema, vor allem für Start-ups, die international expandieren möchten. Und natürlich ist da unser Förderdschungel. Das merke ich auch bei den Gründern, die ich in der „Höhle der Löwen“ kennengelernt habe. Viele haben keine Ahnung, welche Förderprogramme es gibt. Und wenn doch, dann ist das so kompliziert, dass sie oft kapitulieren. Oder die Voraussetzungen sind viel zu eng gefasst. Da ist dann zum Beispiel eine berufliche Qualifikation ein Muss. Aber warum? Es gibt erfolgreiche Gründer, die kein Abitur oder kein abgeschlossenes Studium haben. Dies muss vereinfacht werden.
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