Die Bratsche singt wie die Bauern auf dem Feld
Das 6. Sinfoniekonzert der Philharmoniker verfolgt die Spur von Folklore-Traditionen in der neueren Musik – bis tief in den Süden
Beim ersten Anlauf hatte Ruth Killius Pech. Als die Bratschistin, in der laufenden Spielzeit Residenzkünstlerin der Augsburger Philharmoniker, im Dezember William Waltons Bratschenkonzert muszieren wollte, musste sie krankheitsbedingt absagen. Nun aber steht der zweite große solistische Auftritt von Killius’ Residenzphase an (zu der auch zwei Kammerkonzerte gehören): Die Aufführung von Luciano Berios „Voci“ im 6. Sinfoniekonzert der Philharmoniker an diesem Montag und Dienstag in der Kongresshalle.
Der Titel des Stücks – zu deutsch „Stimmen“ – weist darauf, wo der Italiener Berio (1925-2003) für seine Komposition Anleihen genommen hat: bei Gesängen, wie sie in der Folklore Siziliens zu finden sind. Inspiriert von dokumentarischen Tonaufnahmen, entstanden die insgesamt etwa eine halbe Stunde dauernden „Voci“ für Bratsche und Orchester, worin das Soloinstrument pausenlos gefordert ist. Die sizilianischen Volksgesänge sind dabei stets faszinierend präsent. Nicht nur, dass die Bratsche immer wieder in den archaischen Tonfall der Arbeits-, Liebes- und Wiegenlieder verfällt, dass aus der solistischen Linie immer wieder kleine folkloristische Melodiefetzen herausleuchten. Auch das Orchester, das sich über weite Strecken klanglich stark zurückhält, legt einen Klanggrund, der die Atmosphäre einer bäuerlich-hirtenhaften wie auch maritimen Liedkultur in moderner Tonsprache aufgreift. Ein gerade in dieser Verbindung von Ursprünglichkeit und Kunstwillen faszinierendes Stück zeitgenössischer Musik.
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