Durch die Anfeindungen entstanden Flucht-Utopien
Die jüdische Vision, der Verfolgung zu entkommen, ist alt. Und sie reicht bis in die Popkultur
Marc Chagall hat sie direkt ins Bild gesetzt: die Luftmenschen aus dem Schtetl mit Kaftan und Schnappsack, die schwerelos über der Landschaft fliegen. Abgehoben von der Erde, von den beengten Verhältnissen in ihren Städtchen, wo man genau weiß, wie der Jude zu sein hat, gewinnen sie Freiheit. Es ist die Erfahrung von Ausgrenzung und Anfeindung, die unter Juden zu solchen Utopien geführt hat. Und selbst die jüdische Popkultur greift darauf zurück, wie der Autor Jonas Engelmann in der gut besuchten Kriegshaberer Synagoge vor rund 50 Zuhörern in einem Vortrag des Jüdischen Kulturmuseums erklärte. Im Abraxas legte er anschließend auf.
„Wurzellose Kosmopoliten“ heißt sein jüngster Essay – übrigens ein antisemitisches Diktum von Josef Stalin –, den der Comic- und Popkulturexperte Engelmann in seinem eigenen Ventil Verlag herausgebracht hat. In Jazz, Rock, Punk und Hiphop hat er Spuren jüdischer literarischer Gestalten aufgestöbert. „Mithilfe dieser Gespenster reflektieren viele Künstler ihren jüdischen Hintergrund“, sagte er. Und Gespenster sind es wohl, wenn Menschen davon träumen, sich in Tiere zu verwandeln, um sich eine neue, andere Identität zu verleihen als diejenige, die ihnen von außen zugeschrieben wird. Insekten können dies sein in Liedern der US-Sängerin Mirah, ein Volk von Mäusen wie im Comic über den Holocaust, ein Werwolf wie im Konzeptalbum „Wolfstein“ von Chilly Gonzales. „Solche Verwandlungen bilden eine Fluchtlinie, selbst wenn man weiterhin im Käfig bleibt, kann man seine Identität in der Schwebe halten“, erklärte Engelmann. Zuschreibungen könne man dann ins Leere laufen lassen.
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