Für jedes Wesen ein Gedicht

VonRenate Baumiller-Guggenberger

Jan Wagner liest im Bayernkolleg

Allein die Tatsache, dass an einem Dienstagabend über 130, zum großen Teil junge Hörer zu einer Lyrik- lesung kommen, wäre eine Schlagzeile wert. Wie wunderbar, dass es so charismatische Dichter wie den 1971 in Hamburg geborenen und jetzt in Berlin lebenden Jan Wagner gibt, für den jedes Wesen ein Gedicht verdient; dessen Antriebsfeder weder Melancholie noch Weltschmerz ist, sondern das pure Glück, das entsteht, wenn individuelle Welt- und Naturbetrachtung, Fantasie und Faszination an der Erkundung vergessener oder denkwürdiger Begriffe in virtuoser Verseschöpfung münden.

Wertgeschätzt und gelesen wird dieser Gegenwartslyriker nicht erst infolge des renommierten „Büchner-Preis“, mit dem sein Werk in diesem Jahr ausgezeichnet wurde. Im Gesprächs-Teil des Abends verblüffte die Bitte einer jungen Hörerin, Wagner möge doch auch noch ihr persönliches Lieblingsgedicht „Tomate“ vortragen. Schon mit dem „giersch“-Gedicht zum Auftakt war deutlich geworden, wie genussreich es ist, wenn Wagner Wagner liest. Ein erlebnisreicher Lyrik-abend, der die Quellen der lyrischen Inspiration ebenso freilegte wie Wagners humorvolle Erfahrungen auf seinen Reisen „von Europa nach Europa“!

Augsburg