Augsburg: NCR-Hochhaus schrumpft: Warum ein Abriss schmerzen kann

VonMarcus Bürzle

Eigentlich sind Gebäude nur eine Ansammlung von Stahl, Beton und Holz. Doch nun werden ein Häuschen und das NCR-Hochhaus dem Boden gleichgemacht. Und plötzlich fehlt etwas.

Eines Tages rückte ein Trupp rumänischer Bauarbeiter an. Kräftige Jungs, die begannen, das alte Wohnhaus in unserer Nachbarschaft zu zerlegen. Holzdecken raus, Asbestplatten weg, Dachplatten runter. Klar, ein Abriss halt. Doch plötzlich mischten sich sentimentale Gefühle in meinen sachlichen Blick. Was die kräftigen Burschen und später der Bagger da Stück für Stück zerlegten, war ja eines Tages noch viel mühsamer Stück für Stück aufgebaut worden. Und dann lebte dort jemand. Richtete sich dieses Zimmer ein, dann das andere, baute um. Feierte Geburtstag, Weihnachten, Erstkommunion. Jedes Eck in einer Wohnung und in einem Haus hat seine Geschichte. Und dann, in ein paar Tagen, zerfällt alles in Staub. Ich fordere keinen Abriss-Stopp. Aber ein bisschen Nostalgie muss erlaubt sein – bei einem kleinen Wohnhaus, aber auch beim großen NCR-Hochhaus.

Seit Wochen schrumpft das einst so markante Gebäude an der B17. Seine Tage sind gezählt. 1966/67 wurde es gebaut – und es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was da drinnen alles los war: Wie bis zu 700 Mitarbeiter von NCR (National Cash Register) dort arbeiteten und mit der Zentrale in der Partnerstadt Dayton telefonierten, als die Minute in die USA noch drei Mark kostete. Insgesamt waren in Augsburg zu Hochzeiten bis zu 5000 Menschen in der Stadt nicht nur mit Kassen beschäftigt. Doch NCR ist umgezogen nach Lechhausen und das Hochhaus verschwindet, weil die aktuellen Bauvorschriften einen Umbau zu teuer gemacht hätten, wie der Eigentümer sagt. Es wird mir fehlen. Beim Blick vom Bismarckturm auf die Stadt war es ein Fixpunkt. Es ist aber noch mehr.

Augsburg Marcus Bürzle