So erinnert Augsburg künftig an Opfer des NS-Regimes
Die ersten Stolpersteine sollen im kommenden Frühjahr in der Stadt verlegt werden. Im Kulturausschuss wurde ein alternatives Erinnerungszeichen präsentiert.
Zwei Jahre lang wurde in Augsburg über Stolpersteine, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen, debattiert. Im März einigte sich die Stadt mit dem sogenannten „Augsburger Weg“ auf einen Kompromiss. Jetzt steht fest, wann die ersten Stolpersteine auf öffentlichem Grund verlegt werden. Zudem wurde im Kulturausschuss ein alternatives Erinnerungszeichen präsentiert.
Das Konzept „Augsburger Weg“, das von der Kommission Erinnerungskultur entwickelt wurde, beinhaltet drei Formen des individuellen Gedenkens im öffentlichen Raum: Stolpersteine, Tafeln und Stelen, auf denen jeweils die Namen der Opfer des NS-Regimes eingraviert werden. Sechs Agenturen hatten sich an einem Gestaltungswettbewerb für die alternativen Erinnerungszeichen zu den Stolpersteinen beteiligt. Die Wahl fiel auf eine Manschette aus Bronze von der Augsburger Designagentur Büroecco. Diese Art Gedenktafel soll an Laternenmasten angebracht werden. „Es galt, ein Zeichen zu entwickeln, das auch von den Kosten eine denkbare Alternative zu den Stolpersteinen darstellt“, sagte Weitzel im Kulturausschuss.
Alternative Erinnerungstafel
Ein am Boden verlegter Stolperstein des Bildhauers Gunter Demnig kostet 120 Euro. Die Erinnerungstafel wird auf etwa 357 Euro kommen. Dies ist zwar um einiges teurer. Weitzel wies jedoch auf den Vorteil hin, dass auf diesem Zeichen mehrere Opfernamen eingraviert werden können. „Wir glauben, dass dies von der Kostenseite eine gangbare Alternative ist, da es meistens um Opferfamilien geht, mindestens aber um Ehepaare.“ Das Thema Stelen als dritte Möglichkeit der Erinnerung für Örtlichkeiten wie die Halle116, eine einstige KZ-Außenstelle auf dem auf dem Sheridan-Areal, wurde vorerst hintenan gestellt. Der Kommission war wichtig, dass für die Stolpersteine zeitgleich zumindest schon eine weitere Alternative angeboten werden kann. Die Stelen sollen auch von der Agentur Büroecco konzipiert werden, so Weitzel. Stolpersteine und Tafeln werden in größtmöglicher Nähe zum letzten freiwillig gewählten Wohnort eines Opfers der Nationalsozialisten angebracht.
Anträge für die Erinnerungszeichen können Angehörige oder bürgerschaftliche Initiativen, wie die „Erinnerungswerkstatt Augsburg“ oder der „Initiativkreis Stolpersteine“ sein. Die Antragsteller sind verpflichtet, vorab die notwendigen Recherchearbeiten durchzuführen. Das letzte Wort haben immer die Angehörigen von Opfern. Sie können ein Erinnerungszeichen auch ablehnen. Gibt es keine Verwandten mehr, entscheiden Vertreter der Opfergruppen mit.
Wenn es nach dem Kulturausschuss geht, soll die Stadt eine zusätzliche Stelle in der Verwaltung bekommen. Der Mitarbeiter soll über eine entsprechende wissenschaftliche Qualifikation verfügen, Ansprechpartner für die Antragsteller sein und sich um die organisatorische Abwicklung kümmern, in der auch das Tiefbauamt mit eingebunden wird. Der Kulturausschuss einigte sich auf eine halbe Stelle befristet auf zwei Jahre. Der Stadtrat wird darüber entscheiden.
Die Stadträte zeigten sich in der Sitzung zufrieden, dass man sich nach langen und intensiven Diskussionen auf den „Augsburger Weg“ geeinigt hat und dieser vor allem nun beschritten werden kann. In München etwa wurden nach langen Debatten die Stolpersteine abgelehnt. Kritisiert wurde, dass Menschen auf die Stolpersteine und damit auf die Opfernamen treten und achtlos über sie hinweggehen. Auch in Augsburg hatte es diesbezüglich von Seiten der Jüdischen Kultusgemeinde Bedenken gegeben.
Es wurden bereits Stolpersteine verlegt
In der Fuggerstadt wurden bereits zwei Stolpersteine für das Ehepaar Hans und Anna Adlhoch eingelassen, auf Privatgrund. Auf öffentlichem Grund soll die Verlegung von Stolpersteinen am 4. Mai 2017 an verschiedenen Stellen beginnen. Das hat der „Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung“ bekannt gegeben. „Für uns bedeutet das einen großen Erfolg, nachdem wir uns jahrelang dafür eingesetzt haben und es zunächst nicht klar war, wie die Diskussion ausgehen wird“, sagt Thomas Hacker von der Initiative.
20 Stolpersteine werden Anfang Mai an sechs Standorten eingesetzt. Die kleinen Metallplatten mit dem eingravierten Gedenken werden in der Wertachstraße, Hermannstraße, Maximilianstraße, Lindenstraße sowie im ehemaligen Stadtbachqaurtier und auf dem Martin-Luther-Platz angebracht. Die Erinnerungszeichen sind Augsburger Opfern des Nazi-Regimes gewidmet, darunter auch sechs Mitglieder der Familie Lossa. Die Familie gehörte den Jenischen an, eine Bevölkerungsgruppe die wie andere im NS-System verfolgt wurde. Die Lossas verdienten ihr Geld als Fahrende mit der Restauration von Kirchenfiguren. Ihre Wohnung hatten sie in der Wertachstraße. Das erschütternde Schicksal des Buben Ernst Lossa, der in der Heilanstalt Irsee mit einer tödlichen Spritze ermordet wurde, wurde verfilmt und kam erst dieses Jahr mit dem Titel „Nebel im August“ in die Kinos.