200-Millionen-Projekt: Schöner shoppen in Ulm
Nach Rückschlägen wird an einem 200-Millionen-Projekt in der City gebaut. Warum die Überreste des Geburtshauses von Albert Einstein ein Trumpf des Einkaufsquartiers sind.
Wüst und leer präsentiert sich Ulm seit fast vier Jahren allen Besuchern, die sich in der Münsterstadt von Hauptbahnhof gen Fußgängerzone aufmachen: 10.400 Quadratmeter groß ist das Grundstück, auf dem die Stadtverwaltung 2013 begann, sämtliche Gebäude abzureißen. Nun scheint die Serie von Pleiten, Pech und Pannen rund um einen Traum der Stadtplaner aber endgültig gerissen: Die Bagger rollen auf der Brache an. 15 Monate soll es dauern, bis die über 18 Meter tiefe Baugrube gebuddelt sein wird. Ende 2019 sollen die Sedelhöfe fertig sein. Statt im Jahr 2014, wie 2011 mal gemutmaßt wurde.
In der Mitte der Sedelhöfe entsteht der "Einsteinplatz"
In das nun gestartete Projekt steckt das Hamburger Unternehmen DC Developments/DC Values 200 Millionen Euro. „Viele Leute haben nicht mehr geglaubt, dass das passieren wird“, sagt Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) jüngst beim Spatenstich. Es werde kein Einkaufszentrum gebaut, sondern ein neues Stück Stadt: Mit 112 Ein- bis Vierzimmerwohnungen, einem 1000 Quadratmeter großen Dachgarten und 18.000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche rund um eine neue „Piazza“, die bereits einen Namen hat: Einsteinplatz.
Das hat einen triftigen Grund: Es war der 14. März 1879 um 11.30 Uhr als der kleine Albert im Gebäude „B 135“ in der Bahnhofstraße das Licht der Welt erblickte. Zwar lediglich 15 Monate blieben seine Eltern Hermann und Pauline Einstein mit ihrem Sprössling in Ulm wohnen. Doch der berühmte Nobelpreisträger bleibt – ob er es jemals wollte oder nicht – immer mit seiner Geburststadt verbunden.
Die Grundmauern und Keller des im Krieg zerstörten Einstein-Geburtshauses befinden sich unter dem Grundstück, auf dem 2019 das aus vier unabhängigen Gebäuden bestehende Großprojekt eröffnet werden soll. Die Reste von „B 135“ werden in den Neubau integriert. Ein „Einstein-Komitee“ unter Beteiligung von Gemeinderäten, Stadtverwaltung, Investoren und des Architekten Caspar Schmitz-Morkramer wird in den kommenden Monaten Ideen entwickeln, wie einem der berühmtesten Figuren der Menschheit gedacht werden soll. Zunächst werden sämtliche erhaltenen Steine des Geburtshauses ausgegraben, nummeriert, konserviert und archiviert.
Einstein soll bei den Sedelhöfen geehrt werden
Die Werbewirkung von Albert-Einstein haben die Investoren längst erkannt: Sein berühmtes Konterfei mit der ausgestreckten Zunge verwenden die Hamburger bereits als Projekt-Logo. „Die Sedelhöfe werden ein Ort, an dem wir Einstein gebührend ehren und seine Innovationskraft spürbar sein wird“, sagt Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter des Investors DC Developments/DC Values.
In Ulm wird Schubert mit offenen Armen empfangen. Und das nicht nur, weil er sich auf die Fahnen geschrieben hat das „Juwel“ eines authentischen Einstein-Erinnerungsorts zu bergen. Danach suchen die Touristen in Ulm bislang nämlich vergeblich. Wer zum Einstein-Haus geht, landet in der Volkshochschule.
Der Traum der Stadtverwaltung, die Ulmer Fußgängerzone im Kampf um die Kunden um hochwertige Flächen zu erweitern, wäre fast gescheitert. Ursprünglich setzte sich in einer europaweiten Ausschreibung der Projektentwickler MAB Development durch, ein Tochterunternehmen der niederländischen Rabobank.
Lokalpolitiker und Stadtspitze lobten damals in höchsten Tönen, dass kein steriler Kommerztempel, keine Einkaufsmaschine, sondern ein lebendiges Stück Stadt geschaffen werde. Doch damals irrten sie sich: Es dauerte, bis es der gesamten Stadtgesellschaft dämmerte, dass MAB ein zwar schönes, aber herkömmliches Einkaufszentrum bauen wollte. Und das mit lediglich neun Wohneinheiten.
Welche Geschäfte ziehen in die Einzelhandelsflächen?
Der Deal scheiterte. Zum Glück, aus heutiger Sicht. Auch wenn der Ausstieg des Investors die Stadtspitze düpierte: Denn vertragsgemäß, aber im Nachhinein äußerst voreilig, machten Bagger vor fast vier Jahren das komplette Quartier dem Erdboden gleich. Doch noch bevor die Grundstücke an MAB übergingen, zog sich das Unternehmen komplett zurück. Zuschlag und Projektpläne sollten weiterverkauft werden. Durch den Abriss eines Parkhauses gingen 500 Parkplätze verloren, die bis heute fehlen. Und der ersehnte Verkauf zog und zog sich. Und weil der Fast-Food-Riese McDonalds noch einen laufenden Mietvertrag in einem der abgerissenen Gebäude hat, muss eine kostspielige Unterbringung in einem Container mitten auf der Fußgängerzone länger als geplant von der Stadt finanziert werden.
Von Lehrgeld spricht Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch. Und ist dennoch zufrieden: Denn statt eines Einkaufszentrums entstehe nun wahrhaftig ein neues, lebendiges Stück Stadt. Und selbst die einstigen Initiatoren einer Bürger-Initiative gegen die ersten Sedelhöfe-Pläne widersprechen ihm nicht.
Und wer zieht in die 18.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche? Der angesagte irische Textilanbieter Primark schon mal nicht. Das sagt Schubert unserer Zeitung. Denn das Billig-Konzept passe nicht zum Konzept am neuen Einsteinplatz, der mehr sein soll als die Mitte eines Einkaufszentrums.
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