Aufreger: Horst Seehofer erklärt Multi-Kulti für tot
CSU-Chef Seehofer will den Zuzug von Einwanderern aus bestimmten muslimischen Ländern stoppen. Doch die CSU-Politik ist differenzierter als seine Aussagen. Von Carsten Hoefer
Die CSU will einen neuen Kreuzzug für das christliche Abendland starten - so scheint es auf den ersten Blick. Parteichef Horst Seehofer fordert plötzlich einen Einwanderungsstopp für Türken und Araber und erklärt Multi-Kulti für tot. "Töter kann es gar nicht sein", sagt Seehofer am Samstag beim CSU-Bezirksparteitag in Oberfranken.
"Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun", erklärt der bayerische Ministerpräsident im Magazin "Focus". Daraus ziehe er den Schluss, "dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen".
Der Zeitpunkt ist vermutlich bewusst gewählt: Just an dem Wochenende, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan trifft, bezieht Seehofer Stellung gegen Einwanderer aus der Türkei. CSU-Grundsatzkommissionschef Manfred Weber kritisiert Merkel sogar direkt: "Die Kanzlerin sendet missverständliche Signale, wenn es um die Türkei geht." Denn ihre jüngsten Aussagen könnten als Signal für einen EU-Beitritt der Türkei gedeutet werden.
Eigentlich hatte Seehofer gerade erst gelobt, den Frieden in der sturmumtosten Berliner Koalition zu wahren. Doch kann kein Zweifel bestehen, dass die CSU sich beim Thema Muslime von der CDU absetzen will. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt legt am Sonntag nach: "Es darf in Deutschland künftig keine zusätzliche Zuwanderung aus Kulturkreisen geben, die unsere deutsche Leitkultur ablehnen." Dass es "eine Million Integrationsverweigerer" in Deutschland gebe, "kann doch nicht zur Konsequenz führen, dass wir uns noch mehr potenzielle Integrationsverweigerer ins Land holen."
CSU-Chef Seehofer ist bislang nie als Rechtsaußen aufgefallen. Nun handelt er sich den Vorwurf ein, am rechten Rand zu zündeln: "Seehofer hat offensichtlich in der Tagespolitik die Rolle des Rechtspopulisten für sich entdeckt und hofft, mit dem Bedienen fremdenfeindlicher Ressentiments seiner Partei zu besseren Umfragewerten zu verhelfen", sagt SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher.
Unmittelbarer Auslöser der Debatte war Bundespräsident Christian Wulff (CDU), der den Islam als zu Deutschland gehörend bezeichnete - was vielen in der CSU missfällt. Tieferer Grund aber ist die in der CSU herrschende Angst vor einer dauernden Entfremdung konservativer Wähler. Vielen in der CSU ist Merkel nicht konservativ genug - und die Ausländerpolitik war immer ein konservatives Lieblingsthema. Zu den ehernen CSU-Grundsätzen zählt, dass es rechts der Union keinen Raum für eine weitere demokratische Partei geben darf.
Dabei funktioniert die Integration von Muslimen in Bayern ziemlich gut, wie Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) gerade erst feststellte. In Bayern lebt geschätzt eine halbe Million Muslime, ohne dass es je zu größeren Schwierigkeiten gekommen wäre. Kultusminister Ludwig Spaenle will mehr Einwanderer als Lehrer gewinnen, um die Chancen ihrer Kinder zu verbessern.
Und am Sonntag lockte in Fürth der Erntedankumzug 150 000 Menschen auf die Straße. Mit dabei: die Mitglieder der türkischen Kulturvereine mit traditionellen Ornat und Viertelton-Musik. Carsten Hoefer/ dpa
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