Bayern bittet um Hilfe bei Flüchtlings-Ansturm
Tausende Flüchtlinge sind seit Montag in Bayern angekommen. Die Staatsregierung fordert die Hilfe anderer Länder: Man schaffe das nicht mehr alleine.
Nach dem zeitweiligen Stopp der Polizeikontrollen am Budapester Ostbahnhof sind binnen 24 Stunden mehrere tausende Flüchtlinge aus Ungarn per Zug in Bayern angekommen. Nach Angaben der Bundespolizei sind seit Montagmorgen die Rekordzahl von 3500 neu angekommenen Flüchtlingen registriert worden. Nach Angaben eines Sprechers vom Dienstag schnellte die Zahl mit der Ankunft der Flüchtlings-Züge in die Höhe, die aus Ungarn kommend über Österreich Bayern erreichten.
Registriert wurden die Flüchtlinge von der Bundespolizeidirektion München zwischen Montagmorgen und Dienstagmittag. Zuvor hatte die Bundespolizei von 2200 Flüchtlingen gesprochen, die Zahl bezog sich aber nur auf die Ankünfte binnen zwölf Stunden in der Nacht zum Dienstag.
Die Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder Pakistan wurden in Bussen in ganz Bayern verteilt. Einige hundert wurden nach Angaben der Regierung von Oberbayern ohne vorherige Registrierung in andere Bundesländer weitergeschickt.
"Bayern kann das alleine nicht mehr schaffen"
Die Staatsregierung forderte angesichts der dramatischen Entwicklung die Hilfe aller anderen Bundesländer. "Bayern kann das alleine nicht mehr schaffen", sagte Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bei der Eröffnung des bundesweit ersten Aufnahmezentrums speziell für Balkan-Flüchtlinge bei Ingolstadt. "Der Zugang von Asylbewerbern explodiert derzeit." Das bayerische Kabinett will sich am Mittwoch zu einer schon seit vergangener Woche geplanten Sondersitzung treffen.
Müller forderte eindringlich, dass alle EU-Staaten ihren Beitrag leisten und ihre Pflicht tun müssten, also die Flüchtlinge registrieren und aufnehmen. "Ansonsten wäre das eine Bankrotterklärung von Gesamteuropa", sagte Müller und betonte: "Bayern kann nicht die Registrierung für ganz Europa machen." Ansonsten müsse der Freistaat über noch stärkere Kontrollen an den eigenen Grenzen nachdenken, etwa eine stärkere Schleierfahndung.
Spitzt sich die Lage weiter zu?
Die Staatsregierung rechnet damit, dass sich die Situation in den kommenden Tagen weiter zuspitzen könnte: In Salzburg, Wien und Budapest warteten noch tausende Flüchtlinge auf ihre Weiterreise, sagte Müller.
Allerdings hindern die ungarischen Behörden Flüchtlinge inzwischen wieder an der Weiterreise nach Österreich und Deutschland. Am Montag hatte die Polizei dort überraschend auf die Kontrollen verzichtet - woraufhin rund 2000 Flüchtlinge die Züge bestiegen.
Ausnahmezustand am Münchner Hauptbahnhof
Am Münchner Hauptbahnhof herrscht am Dienstag Ausnahmezustand: Allein hier kamen nach Angaben der Bundespolizei bis zum Nachmittag rund 1900 Flüchtlinge an. 200 sollten nach Baden-Württemberg, weitere 200 nach Hessen weitergeschickt werden, sagte eine Sprecherin der Regierung von Oberbayern. Etwa 200 Menschen werden nach Informationen unserer Zeitung nach Augsburg geschickt. Alle anderen würden medizinisch untersucht, registriert und dann mit Bussen in Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern gebracht. In der Stadt und im Landkreis München würden zudem kurzfristig Notunterkünfte für 1000 Menschen bereitgestellt.
Die Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof kamen laut Bundespolizei in mehr als einem Dutzend verschiedenen Zügen aus Österreich an. Für den Rest des Tages wurden noch einmal mehr als zehn Züge erwartet. Der Sprecher konnte aber nicht sagen, wie viele Flüchtlinge an Bord sind.
Ein Großteil der Migranten kommt aus den Kriegsgebieten Syriens und Nordiraks sowie aus Diktaturen wie Eritrea. Rund 40 Prozent stammen aber vom Balkan und haben kaum Chancen auf ein Bleiberecht in der EU.
Abschiebung am Fließband?
Speziell für sie eröffnete Bayern nun das erste von zunächst zwei Aufnahmezentren speziell für Balkan-Flüchtlinge. In einer ehemaligen Kaserne am Rande von Manching bei Ingolstadt sollen künftig 500 Flüchtlinge aus Südosteuropa untergebracht werden, in zwei Außenstellen nochmals je 500. Müller betonte, alle zuständigen Behörden arbeiteten hier eng zusammen, um die Verfahren in maximal vier bis sechs Wochen abwickeln zu können. Ziel ist es, abgelehnte Asylbewerber so schnell wie möglich wieder zurückzuschicken.
Ein zweites solches Zentrum soll am 15. September in Bamberg seine Arbeit aufnehmen. Zudem nehme man derzeit alle Kasernen in Bayern unter die Lupe, um möglicherweise eine dritte derartige Einrichtung zu schaffen, sagte Müller. Mögliche Standorte nannte sie aber nicht. Das Kabinett hatte derartige Zentren im Juli beschlossen - und dafür in Bayern und bundesweit viel Kritik auf sich gezogen. Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte am Dienstag, Flüchtlinge würden "qua Herkunft kaserniert und isoliert, um sie am Fließband abzuschieben". dpa/afp/lby
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