Bekommen Mädchen bessere Noten als Jungen?
Der Schülerverband beklagt, dass Mädchen bei gleicher Leistung bessere Noten bekommen als Jungen. Der Lehrerverband gesteht ein: Das Aussehen spielt eine Rolle.
Jugendliche beklagen einen „alltäglichen Sexismus“ in Bayerns Schulen. Dabei geben sie der vom FDP-Spitzenpolitiker Rainer Brüderle unfreiwillig angestoßenen Debatte eine neue Richtung: „Mädchen werden häufig besser benotet als Jungen, und das trotz gleicher Leistung“, klagt die Landesschülervereinigung (LSV) und fordert vom Kultusministerium, schnellstmöglich Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Buben werden stärker auf Leistung getrimmt
Geschlechtspezifische Diskriminierung in der Schule zeige sich nicht nur durch anzügliche Bemerkungen, sagt LSV-Vorstandsmitglied Frederic Blum unserer Zeitung. Es gebe Mädchen, die würden sich beispielsweise mit tiefen Dekolletés gezielt Vorteile verschaffen.
Außerdem werden Buben nach Ansicht des Schülervertreters von den Pädagogen härter kritisiert und stärker auf Leistung getrimmt. „Bei Mädchen wird da eher mal ein Auge zugedrückt.“ Die Einführung von Schuluniformen hält Blum allerdings für keine Lösung: „Das Problem lässt sich so nicht abstellen.“
Die Schülervertreter beschweren sich, dass diese Art von Sexismus stillschweigend geduldet wird: „Am meisten stört mich, dass nichts gegen Sexismus in der Schule unternommen wird“, sagt LSV-Mitglied Melissa Büttner. Oft würden davor bewusst die Augen verschlossen.
Video: Das sagen Augsburger zu Sexismus-Vorwurf gegen Brüderle
Jungen bekommen bei gleicher Kompetenz schlechtere Noten
Belegt wird die Landesschülervereinigung durch Studien, etwa die vom Aktionsrat Bildung. Der fand unter anderem heraus, dass Buben in der Grundschule sich einer weiblichen Übermacht an Lehrkräften gegenübersehen und von ihnen benachteiligt würden. Der Bildungsforscher Jürgen Budde aus Halle kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Jungen tatsächlich in allen Fächern bei gleicher Kompetenz schlechtere Noten bekämen als ihre Mitschülerinnen. „Selbst wenn sie die gleichen Noten haben wie Mädchen, empfehlen die Lehrer ihnen seltener das Gymnasium“, fand er heraus.
Bayerischer Lehrerverband: Auch das Aussehen spielt eine Rolle
Rund drei Wochen vor der Verteilung der Zwischenzeugnisse am 22. Februar nimmt auch Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV), Stellung zu diesem Aspekt des Themas Sexismus. Er kennt das Problem aus seiner Praxiserfahrung: „Das ist nichts Neues und im Prinzip schon immer so gewesen.“ Er sieht aber nicht speziell Mädchen gegenüber den Jungen im Vorteil, sondern Schüler mit gepflegtem Aussehen gegenüber weniger adretten Kindern.
Auch diese These bestätigen Untersuchungen. Oldenburger Erziehungswissenschaftler konnten sogar nachweisen, dass der Vorname mit darüber entscheiden kann, welche Note ein Schüler bekommt: „Kevin“ oder „Mandy“ bekämen in der Schule schwerer eine gute Note, als eine „Charlotte“ oder ein „Friedrich-Anton“, heißt es.
Landesschülervereinigung fordert besseren Umgang mit Homosexuellen
Der Landesschülervereinigung geht es bei ihrem Vorstoß aber nicht ausschließlich um die ungerechte Notenverteilung. Sie fordert auch eine Enttabuisierung im Umgang mit unterschiedlichen sexuellen Ausrichtungen. Weder werde im Unterricht darüber geredet, noch würden sich Betroffene wie Schwule und Lesben trauen, sich zu outen. Zu groß sei die Angst, ausgegrenzt zu werden. „Hier herrscht dringender Handlungsbedarf“, betont LSV-Vorstandsmitglied Simon Schrauth.
Unterstützung erhält er von Lehrerverbandspräsident Wenzel: „Wir leben in einer sexualisierten Welt, da müssen alle Beteiligten stärker für das Thema sensibilisiert werden.“ Das Kultusministerium dürfe dies nicht als „Phänomen“ abtun. Selbst der Sprachgebrauch der Schüler habe sich verändert: Wenn ein Junge heute ein Mädchen hübsch findet, sagt er Wenzel zufolge: „Du schaust ja porno aus.“
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