Beleidigte Leberwurst?
Nach dem großen Krach in der Sondersitzung des Landtags ist das Klima zwischen Opposition und CSU gereizt. Vor allem Freie Wähler und Grüne teilten am Mittwoch weiter fleißig aus.
Ministerpräsident Horst Seehofer lehnt sich in seinen Sessel zurück, lacht immer wieder, schlägt die Hände vors Gesicht: Das war am Dienstag, als er bei der Sondersitzung des Landtags den Eindruck zu erwecken versucht, die Attacken der Opposition nicht ernst zu nehmen. Erst später wird klar, wie verärgert Seehofer tatsächlich ist. Er kündigt SPD, Freien Wählern und Grünen noch am Abend die Gesprächsbereitschaft auf. Es gebe keine Vertrauensbasis mehr.
Der Tag danach: Grüne und Freie Wähler werfen Seehofer eine Überreaktion vor. Er verhalte sich „kindisch und unprofessionell, sagt Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause. Wie eine „beleidigte Leberwurst“. SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher spricht von einem „inszenierten Bruch mit dem Parlamentarismus“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Florian Streibl, betont, Seehofer mime hier wohl „den Eiszeitpolitiker putinscher Prägung“.
Der Anlass für die heftige Auseinandersetzung: SPD und Grüne hatten in der rustikalen Landtagsdebatte den Eindruck erweckt, als hätten die früheren Modellauto-Geschäfte der zurückgetretenen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) Bayern in eine schwere Krise gestürzt, und die Staatsregierung sei in einem Morast aus Skandalen und Untätigkeit versunken. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer bezeichnete die Redebeiträge der Opposition in seiner Antwort im Landtag als „unterirdisch“.
Kreuzer: Angriffe unter der Gürtellinie
Heute nun legte Kreuzer nach. Er habe so etwas in seiner 20-jährigen Zeit als Abgeordneter im Maximilianeum noch nicht erlebt, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Schon während des laufenden Verfahrens seien die Angriffe der Opposition gegen Haderthauer „unter der Gürtellinie“ gewesen. Jetzt sei nach ihrem Rücktritt mit einem „Rundumschlag“ noch einmal nachgetreten worden. Kreuzer: „Das war krass.“
Die Atmosphäre zwischen Regierung und Opposition sei nachhaltig belastet, so Kreuzer. Er habe Verständnis dafür, wenn im Sitzungsbetrieb über Sachfragen gestritten werde. Er habe jedoch keinerlei Verständnis, wenn es „nur um die Beschädigung einer Person geht“. Die CSU sei bisher um eine vernünftige Zusammenarbeit bemüht gewesen und der Opposition gerade bei der Besetzung von Ausschüssen entgegengekommen. Doch nach der Debatte vom Dienstag, sei es schwierig, sich wieder gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Kreuzer sprach von einem „vollkommenen Verfall der Opposition“. Auch Seehofer hatte erklärt, für ihn sei nicht nur das Vertrauen, sondern auch der Respekt weg. SPD und Grüne hätten sich „völlig disqualifiziert“.
Rinderspacher selbst hat die Vorwürfe am Mittwoch entschieden zurückgewiesen. Seine Wortwahl sei „einwandfrei“ gewesen, sagte er unserer Zeitung. „Das war ein normaler Debattenbeitrag, sozusagen lupenreiner Parlamentarismus.“ Er bringe für die „hohe nervliche Anspannung von Herrn Seehofer“ ein gewisses Verständnis auf, so der SPD-Fraktionschef. „Streit mit der CDU, Rücktritte, Untersuchungsausschüsse und die anhaltende Diskussion in den eigenen Reihen um seine vorzeitige Nachfolge, das ist für ihn sehr belastend“. Rinderspacher betonte jedoch auch, dass eine „Basta-Mentalität“ nicht funktionieren könne. „Man muss auch kritikfähig sein.“ Für die SPD stehe die gemeinsame Verantwortung für Bayern auch weiterhin im Mittelpunkt.
„Das ist die alte Arroganz der CSU"
Florian Streibl, der Seehofer mit Russlands autokratischem Präsidenten Wladimir Putin verglichen hatte, betonte gegenüber unserer Zeitung, auch Seehofer selbst teile gerne aus. „Das ist die alte Arroganz wie wir sie von der CSU leider nur allzu lange kennen“, sagte Streibl. Gerade nach dem Desaster um den Rücktritt von Haderthauer erwarte er vom bayerischen Ministerpräsidenten ein klares Entgegenkommen – und nicht das Zerschneiden des gerade erst in Aussicht gestellten Gesprächsfadens. Die Dünnheutigkeit Seehofers habe ihn überrascht.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer antwortete prompt. Über Streibl sagte er: „Wer in Zeiten einer schweren Russland-Ukraine-Krise solche Vergleiche zieht, disqualifiziert sich selbst und ist nicht einmal als Krawallmacher ernst zu nehmen.“ mit dpa
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