Bildungsbericht: Migrantenkinder und Buben sind die Verlierer
Schüler mit Migrationshintergrund hinken hinterher, die wenigsten schaffen den Sprung aufs Gymnasium. Das hat der Bildungsbericht 2012 ergeben. Und: Buben sind die Verlierer.
Das sind die zwei Seiten einer Medaille: Die SPD interpretiert die Ergebnisse des Bildungsberichts 2012 als Versagen des bayerischen Schulsystems. Das Kultusministerium dagegen verbucht die neuen Daten als Erfolg. Der Bericht wird heute im Bildungsausschuss des Landtags vorgestellt und diskutiert.
Alle drei Jahre erstellt das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) einen Bildungsbericht. Eckdaten bilden Schülerzahlen und das Schulangebot. Die Schullaufbahn und die Möglichkeit, die Schule nach Wahl zu besuchen, sind weitere Indikatoren für Bildungsqualität und Chancengerechtigkeit.
Grüne sehen schlechte Startchancen
Und genau hier sieht der bildungspolitische Sprecher der SPD, Martin Güll, die größten Probleme des bayerischen Schulsystems: „Der Bildungsbericht belegt eindeutig: Ein Migrationshintergrund der Familie ist ein klares Hindernis in der Schullaufbahn der Kinder. Was wir brauchen, sind Chancen für alle Schüler, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer sozialen Situation“, sagt Güll.
Der schulpolitische Sprecher der Grünen, Thomas Gehring, stößt ins gleiche Horn: „Fakt ist, über die gesamte Schullaufbahn gelingt es dem bayerischen Schulsystem nicht, die schlechteren Startchancen der Migrantenkinder auszugleichen.“
Mangelnde Deutschkenntnisse Hauptgrund für schwächere Leistung
Tatsächlich besuchen Migrantenkinder mit 58,4 Prozent häufiger die Mittelschule (früher Hauptschule) als Kinder deutscher Eltern (26,4 Prozent). Umgekehrt wechseln über 34 Prozent der deutschstämmigen Kinder aufs Gymnasium, bei den Migranten dagegen sind es knapp 17 Prozent.
Auch wenn das Kultusministerium zugibt, dass es hier noch Verbesserungen geben kann, gibt Sprecher Ludwig Unger doch zu bedenken, dass der Standard der bayerischen Schüler insgesamt angehoben werden konnte, und dass die Kinder aus Migrantenfamilien von diesem Fortschritt profitiert hätten.
Sie seien im Bundesvergleich deutlich besser als manche deutschen Schüler in anderen Ländern. Aber alle sind sich einig: Die mangelhaften Deutsch-Kenntnisse der Schüler mit Migrationshintergrund sind der Grund für ihre schwächeren Schulleistungen.
Deutschkurse auch an Realschulen und Gymnasien
Mit den Deutsch-Vorkursen in Kindertagesstätten, die seit 2008 massiv ausgebaut wurden, sei aber bereits eine Verbesserung zu verzeichnen, so Unger. An den Grundschulen werden immer weniger Kinder zurückgestellt. Deutschförderung sei nicht allein auf die Grundschule beschränkt, so Unger. Auch an den Realschulen und Gymnasien werden sie künftig stärker angeboten.
Man sei aber immer auch auf die Motivation der Eltern angewiesen, die die Schulzeit ihrer Kinder unterschiedlich gut begleiteten. „Im Moment sind keine zusätzlichen Maßnahmen geplant“, sagt Unger. Das aber fordert die SPD. Die Sprachförderung besonders in den Kindertagesstätten müsse deutlich verbessert werden, sagt Güll. Deutsch als Zweitsprache müsse auch Teil der Lehrerbildung sein.
Da viele Kinder aus Zuwandererfamilien den Weg über Fach- beziehungsweise Berufsoberschule zur Hochschulreife wählen, sieht das bayerische Kultusministerium keinen Nachholbedarf im Bereich Bildungs- und Chancengerechtigkeit bei Schülern aus Zuwandererfamilien. Gleichzeitig sei dies auch ein Beleg für die Durchlässigkeit des Schulsystems.
Jungen bleiben häufiger sitzen
Probleme bereiten den Bildungsorganisatoren die Buben. Sie sind beim Schulabschluss älter als Mädchen, bleiben häufiger sitzen, sie haben die schlechteren Zeugnisse und Abschlussarbeiten. 3,9 Prozent haben nach Ablauf ihrer Schulpflicht keinen Abschluss. Bei den Mädchen sind es lediglich 2,3 Prozent. Das Kultusministerium hält sich zwar zugute, das Problem schon vor Jahren erkannt zu haben. Es gebe auch Handreichungen für Lehrer: Jungen brauchen Unterstützung bei der Sprachbeherrschung und Mädchen müssen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer besser gefördert werden.
Die Diskussion ist geschlossen.