Brandbrief: Bezirke klagen über Betreuungskosten für junge Flüchtlinge
Werden junge unbegleitete Flüchtlinge volljährig, ist der Freistaat nicht mehr für die Betreuungskosten zuständig. Die Ausgaben in Millionenhöhe treffen dann die Kommunen.
Es ist ein Brandbrief, den Schwabens Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert (CSU) an seinen Parteifreund Horst Seehofer gerichtet hat. Es geht in dem Schreiben um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die 18 Jahre alt werden und weiter Unterstützung benötigen und es geht um die Kosten, die dadurch auf die sieben bayerischen Bezirke zukommen.
Sie fordern nun eine größere finanzielle Beteiligung des Freistaats bei der Betreuung junger Flüchtlinge. Bisher übernimmt die Staatsregierung die Kosten lediglich für minderjährige Ausländer, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. Ein großer Teil der jungen Asylbewerber brauche aber auch nach dem 18. Geburtstag noch eine Zeit lang die Hilfe der kommunalen Jugendämter, sagte der Präsident des Bayerischen Bezirketages, Josef Mederer, am Mittwoch in Nürnberg. Die fachliche Verantwortung tragen die Jugendämter. Finanziell sind für die Volljährigen aber die Bezirke zuständig. Dadurch entstünden den Bezirken heuer Kosten in Höhe von rund 140 Millionen Euro. In den nächsten zwei Jahren wachse dieser Betrag voraussichtlich auf 300 bis 400 Millionen Euro – vorausgesetzt die Flüchtlingszahlen steigen nicht wieder.
Jürgen Reichert macht es ebenfalls an Zahlen fest. In Schwaben sind demnach von den insgesamt 2300 unbegleiteten Flüchtlingen 350 18-Jährige in Maßnahmen der Jugendhilfe, 2017 werden weitere 731 die Volljährigkeit erreichen und vermutlich Unterstützung benötigen. Bei einem Tagessatz von 105 Euro für die Jugendhilfe kämen damit auf den Bezirk jährlich Kosten in Höhe von rund 40 Millionen Euro zu. Das Geld müssen sich die Bezirke per Umlage von den Landkreisen und kreisfreien Städten holen.
Nicht eingerechnet sind in diesen Summen Ausgaben etwa für Deutschkurse, Bekleidung, Krankheit, Fahrten zum Arzt oder Taschengeld (40 Euro pro Monat ab 16, 45 Euro ab 17 Jahren), die unbegleitet minderjährige Flüchtlinge erhalten und die vom Land erstattet werden. Bayern hat dafür im Nachtragshaushalt 2016 rund 632 Millionen Euro veranschlagt.
Junge Flüchtlinge brauchen eine langfristige Betreuung
Reichert spricht von einem „Damoklesschwert“, das über den Bezirken schwebt. Deshalb wird der Freistaat in dem Brief an Seehofer aufgefordert, die Kosten der Jugendhilfe für diese Flüchtlinge unabhängig von der Altersgrenze zu übernehmen. Auch Dillingens Landrat Leo Schrell (Freie Wähler) richtet einen Appell an die Staatsregierung. Die Erfahrung habe gezeigt, dass junge Flüchtlinge, die oft traumatisiert seien, auch über das 17. Lebensjahr hinaus eine intensive Betreuung benötigen. „Es kann nicht sein, dass sich der Staat aus der Verantwortung stiehlt und die Kosten auf die Kommunen verlagert“, sagte Schrell unserer Zeitung.
Das Sozialministerium vertritt jedoch die Auffassung, dass sich die speziellen Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe, die in der Verantwortung der Kommunen liege, auf die Versorgung Minderjähriger konzentrieren sollte. „Junge Volljährige erhalten zum Teil deutlich länger als erforderlich Jugendhilfeleistungen im Rahmen der stationären Heimerziehung und besetzen so Plätze, die in erster Linie Kindern und Jugendlichen vorbehalten sein sollten“, schreibt das Ministerium. Vorrangig seien die Versorgungen mit Wohnraum, Arbeitsmarktintegration, Bildung und Sprache. Hierfür gebe es andere Unterstützungssysteme außerhalb der Jugendhilfe. Die Kosten für junge Volljährige trage der Freistaat deshalb nicht.
Laut Sozialministerium kamen allein 2015 rund 16800 unbegleitet minderjährige Ausländer nach Bayern. Bis zum 31. August dieses Jahres seien weitere 4266 registriert worden. Hauptherkunftsländer waren im Jahr 2016 Afghanistan (45 Prozent), Somalia (15 Prozent), Syrien (11 Prozent), Irak und Eritrea (jeweils 5 Prozent). (mit dpa)
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