Dachau droht Niederlage im Bordell-Streit
In Dachau gibt es bereits mehrere Bordelle. Ihre Betreiber wollen expandieren, doch im Rathaus heißt es: nein. Dagegen prozessieren die Bauherren - mit guten Chancen auf Erfolg.
Vielleicht hat die Stadt Dachau die falschen Mittel ergriffen, um die Prostitution in ihrem Gewerbegebiet einzudämmen. Mit baulichen Auflagen versucht sie, zwei Betriebe zu verhindern. Im Gewerbe-Wohn-Mischgebiet Dachau-Ost findet man bereits drei Erotikbetriebe. Zwischen Kfz-Werkstätten, Lackierereien und Mechanikerbetrieben bieten sie Massagen, Entspannung und käuflichen Sex an.
Fetischstudios in unscheinbaren Wohnhäusern
Versteckt gibt es außerdem im sogenannten Handwerkerhof ein Fetischstudio, das dort schon vor zwölf Jahren von einer Domina eingerichtet wurde. Von außen ist es ein weißes Wohnhaus, der Balkon von wildem Wein umrankt, eine Laterne hängt da. Aber die ist grün, nicht etwa rot.
Aufmerksam geworden ist die Stadt auf das Studio erst, als die Besitzerin, eine etwa 60-jährige stark geschminkte Blondine, eine Nutzungsänderung ihrer Räume beantragte. Sie hat sich offenbar ihr Recht, dort ihr Gewerbe zu treiben, durch Gewohnheit erworben. Beim Gerichtstermin mit Ortsbesichtigung am Donnerstag legt die Richterin der Stadt nahe, das Fetischstudio zu dulden, da die Nutzungsunterlassung erst vor kurzem ergangen sei. Zudem werde das Studio ganz offensichtlich sehr diskret geführt.
Die Rechtsanwältin der Domina erklärt, dass die Besucher den Hintereingang nutzen, da sie selbst auf Diskretion bedacht seien. Jedoch will die Rechtsanwältin nicht nur eine Duldung, sondern eine offizielle Genehmigung. Ihre Mandantin sagt: "Ich möchte, dass es ein Fetischstudio bleibt. Das liegt mir am Herzen." Selbst wenn sie nicht mehr selbst als Domina arbeiten werde, könne sie das Studio an bis zu drei Damen vermieten und es "mit 80 noch führen".
Die Klägerin hat gute Chancen. Nicht nur wegen des Gewohnheitsrechts, sondern auch, weil sie die vorgeschriebenen sechs Parkplätze ordnungsgemäß nachweisen kann, wie die Vertreter der Stadt anerkennen.
Anwohner sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder
Diese Parkplätze sind nicht versteckt, sondern vor dem Haus. Die Nachbarn empfinden den Betrieb daher als weniger diskret: Ihre halbwüchsigen Töchter würden von Besuchern angesprochen, auch ihre kleineren Kinder möchten sie nicht in der Nähe einer solchen Einrichtung wissen. Sie haben sich in einem Schreiben an die Stadt gewandt, jedoch findet dieser Einwand vor Gericht keine Beachtung.
Ebenso wenig wie die Sorgen der Nachbarn des geplanten Wellnesscenters mit angeschlossenem Fitnessstudio eine Straße weiter. Der Handwerksmeister, der nebenan eine Werkstatt für Bohr-, Fräs- und Dreharbeiten betreibt und daneben mit seiner Familie wohnt, befürchtet vor allem Lärm. Bis vor fünf Jahren gab es am selben Ort bereits ein Bordell. Ab und zu habe er sich mit den Frauen unterhalten, wenn sie tagsüber zum Einkaufen gingen - sofern sie Deutsch konnten, sagt der 58-Jährige. Die seien schon nett gewesen, doch nachts der Lärm, die an- und abfahrenden Autos, die schaulustigen Jugendlichen und die Betrunkenen, die sich auch schon mal in der Klingel irren, nein, das wolle er nicht mehr haben.
Direkt gegenüber dem Wellnesscenter steht zwischen gepflegten Hecken und blühenden Hortensien ein Zentrum der Zeugen Jehovas. Baulich unterscheidet sich der Zweckbau nicht wesentlich - weder von den umliegenden Werkstätten noch vom geplanten Wellness-Bordell-Betrieb. Immerhin ist er auffällig blau gestrichen. Zwei Mitglieder der Religionsgemeinschaft beobachten den Prozess als Zaungäste, äußern wollen sie sich nicht.
Bauherr bezeichnet die baulichen Auflagen als Schikane
Umso mehr zeigt sich der Bauherr erbost. Er ist im schwarzen Sportwagen vorgefahren, lebt in der Schweiz im Kanton Sankt Gallen. Den Bau sieht er als Kapitalanlage. Von dem, was der Betreiber darin vorhat, will er erst nichts wissen, kennt dann aber doch das Konzept recht genau. Die baulichen Auflagen der Stadt bezeichnet er als Schikane, sein Rechtsanwalt nennt sie unverhältnismäßig.
Maximal 1200 Quadratmeter groß soll der Betrieb werden. Es soll einen Whirlpool, zwei bis drei Saunen, auch eine Bio-Sauna geben. Alles in allem sei wohl Platz für 15 Leute, sagt der Bauherr. Die können sich dort für 50 Euro Eintritt entspannen, alkoholfreie Getränke und Essen sind im Eintritt enthalten. Die Damen oder auch Herren können dort nach eigenem Ermessen weitere Geschäfte machen. Eine Champagner-sprudelnde Welt mit Massenbetrieb, wie seine Nachbarn sich das vielleicht vorstellten, werde das sicher nicht. So mache man das heute nicht mehr, sagt der kahlköpfige Mann mit der auffälligen Narbe, die von der Wange bis über den Hals läuft.
Der Streitwert in diesem Fall beträgt 65.000 Euro, im Falle des Fetischstudios wurde er auf 5000 Euro festgesetzt, auch wenn das dem Vorsitzenden Richter zu wenig erschien. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München sollen an diesem Freitag fallen. Für die Stadt Dachau könnte das in beiden Fällen heißen: Außer Gerichtsspesen nichts gewesen. dpa/lby
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