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Günzburg/Kellmünz
09.09.2013

Das Leiden der Lokführer: Leben mit der Katastrophe

17. Juli 2013: In Kellmünz stürzt ein Zug in einen Vorgarten.
Foto: Alexander Kaya

Es knirscht. Dann ist große Stille. Es gibt kaum einen Lokführer, der in seiner Laufbahn keine Bekanntschaft mit dem Tod macht. Ein Lokführer erzählt.

27. Dezember 2012, 18.45 Uhr, Günzburg. An einem Bahnübergang werden zwei 15-jährige Mädchen von einem Zug erfasst und getötet. Die Ermittlungen ergeben keine Hinweise auf einen technischen Defekt oder einen Fehler des Lokführers. Die Jugendlichen, so scheint es, müssen unvermittelt auf die Gleise getreten sein. Das Entsetzen in Günzburg ist groß. Monatelang diskutieren die Menschen über die Sicherheit an Bahnübergängen. Die Deutsche Bahn verspricht, am Unfallort ein zusätzliches Blinklicht zu installieren – frühestens 2015. Aber was ist mit dem Lokführer?

17. Juli 2013, kurz vor 7 Uhr, Kellmünz. In der Marktgemeinde im Kreis Neu-Ulm entgleist die aus Ulm kommende Regionalbahn 57757. Der vordere Zugteil kippt in einen Vorgarten. Sekundenbruchteile zuvor hat der Zug am unbeschrankten Bahnübergang Steinweg ein Auto erfasst. Die 46 Jahre alte Fahrerin wird schwerst verletzt. Insgesamt fordert der Unfall drei Schwer- und zehn Leichtverletzte. Hinweise auf einen technischen Defekt oder einen Fehler des Lokführers gibt es nicht. Die Menschen reden sich die Köpfe heiß. Natürlich geht es um Fragen der Sicherheit. Die Bahn verspricht, den Übergang zu „verbessern“ – bis 2017. Aber was ist mit dem Lokführer?

Über den Lokführer spricht die ganze Welt, als einer, von allen guten Geistern verlassen, am 24. Juli so schnell einen Zug durch Spanien jagt, dass es diesen aus einer Kurve katapultiert. 79 Menschen sterben. Nur Stunden später kennt der Globus den Namen des Lokführers, sein Gesicht, seine Lebensgeschichte. Die Leute sind wütend. Man kann das verstehen, bei den Fehlern, die der Mann offensichtlich gemacht hat. Aber der Alltag ist das nicht.

Sehenden Auges in die Katastrophe

Der Alltag sieht so aus: Mehrmals binnen 24 Stunden steht irgendwo in Deutschland, auf freier Strecke oder an einem Bahnübergang urplötzlich ein Mensch oder ein Fahrzeug auf den Schienen. Aussichtslos, einen Zusammenprall zu verhindern, Notbremsung hin oder her. Sehenden Auges in die Katastrophe. Kaum ein Lokführer, der in seiner Laufbahn keine Bekanntschaft mit dem Tod macht. Unverschuldet.

Wie verarbeitet man das? Gibt es das überhaupt: ein Aufarbeiten, eine Bewältigung, eine zu verantwortende Rückkehr in den Beruf? Oder bleibt bestenfalls ein Verdrängen, ein Leben mit dem Ereignis?

Das Leiden der Lokführer: Leben mit der Katastrophe
107 Bilder
Zugunglück in Kellmünz
Foto: Alexander Kaya & Pöppel/new-facts.eu

Es ist schwer, diese beiden Bilder zusammenzubringen: das von der Freiheit des Lokführers in seiner Kabine, dem Reisen, der Technik, dem Traumberuf unendlich vieler Buben, seit Generationen schon. Und dann das Bild von fürchterlichen Unfällen. Von Suiziden.

Es war doch ein Traumberuf, den sich Werner Wieler ausgesucht hat. Das sagt er auch, als er so dasitzt am Tisch, der Pensionär mit seinen 72 Jahren. Schnauzbart, wache Augen, helles T-Shirt, die Beine in sommerliche Bermuda-Shorts gesteckt. Der dann anfängt zu erzählen, über „den 628“ („Kennen Sie doch, oder?“) und andere Baureihen. Und darüber redet, so, wie andere über Schuhe oder musikalische Vorlieben reden. Aber Wieler kennt auch die andere Seite des Berufs. Der Augsburger hat einen ähnlichen Unfall als Lokführer erlebt wie sein Kollege jüngst in Kellmünz. Als er nach einer Stunde seine Geschichte zu Ende erzählt hat, bricht die Stimme.

Es knirscht. Dann ist große Stille

5. März 1987, kurz vor halb neun nahe Karlskron im Kreis Neuburg-Schrobenhausen. Ein schöner Morgen. Aber die Straßen sind eisglatt. Wieler steuert eine Regionalbahn von Augsburg nach Ingolstadt. An Bord des zweiteiligen Triebwagens sind 14 Fahrgäste, der Zugführer und eben Wieler. Ein weißes Blinklicht am Gleis signalisiert, dass der unbeschrankte, nur mit roten Blinklichtern versehene Bahnübergang korrekt funktioniert.

Werner Wieler passiert ihn. Das Letzte, was er dann bewusst wahrnimmt, ist ein ohrenbetäubender Knall. Ein mit Schrottautos beladener Lkw ist ihm seitlich in den hinteren Zugteil gerauscht; mit einer solchen Wucht, dass sich die Gleise verbiegen. Später heißt es, vermutlich habe die tief stehende Sonne den Lastwagenfahrer geblendet, weshalb dieser wohl das Blinklicht übersah und ungebremst in die Bahn prallte. Der Steuerwagen mit Wieler und dem Zugführer ganz vorne fällt auf die Seite und rutscht noch ein paar Meter. Es knirscht. Dann, sagt Wieler, „war große Stille“.

Zum Gespräch hat er eine kleine Mappe mitgebracht, die er nun öffnet. Darin liegen alte Zeitungsartikel, Fotos, schließlich Berichte vom Unfall in Kellmünz. Dort ist auch ein Zugteil umgestürzt. Wieler hat alles gelesen, was er dazu finden konnte. Es beschäftigt ihn. Es beschäftigt ihn vor allem die Frage: Was ist mit dem Lokführer? Vielleicht, weil sein eigener Unfall auf einmal wieder so nah ist.

Aber was heißt schon: auf einmal? „So etwas wird man nicht los“, sagt Wieler. Gerade hat er noch in einem Fluss erzählt, auch mal gescherzt. Nun wird er wortkarg und macht lange Pausen zwischen den Sätzen. „Eine Sekunde später, und wir säßen jetzt nicht beisammen.“ Eine Sekunde später, und der Lkw wäre vor ihm auf den Gleisen gestanden und Wieler frontal hineingefahren.

So können er und sein Kollege aus eigener Kraft aus dem Wagen klettern. Später stellt sich heraus, dass Wielers Steißbein gebrochen ist. Aber „das spürt man nicht in dem Moment“. Er schlägt Scheiben ein, befreit Fahrgäste aus dem demolierten hinteren Wagen, wo die meisten saßen, tut das, was er für den Ernstfall gelernt hat. Ein Rettungswagen bringt ihn danach ins Krankenhaus, das er noch am selben Tag wieder verlässt. Die Bahn-, heute Bundespolizei, fährt ihn heim.

Werner Wieler hätte gerne noch ein Glas Mineralwasser. Er hat seine Geschichte noch nicht zu Ende erzählt. Das eben waren nur die Fakten. Aber da ist ja mehr.

Am nächsten Tag meldet er sich beim damaligen Augsburger Bahnbetriebswerk krank. Etwa sechs Wochen bleibt er zu Hause. Die Kollegen rufen an, fragen, wie es so gehe. Hat die Bahn psychologische Hilfe angeboten? Die Antwort ist knapp: „Nein.“ Aber der Anblick der Verletzten, es ist fast keiner verschont geblieben. Und der Tote ... Der Lkw-Fahrer, ein 50-Jähriger aus dem Landkreis Aichach-Friedberg, hat den Unfall nicht überlebt.

Wieler schweigt. Dann: „Ich habe ihn liegen sehen. Unter einem schweren Stück Metall.“ Wieder Schweigen. Und dann: „Er hatte keine Chance, keine Chance.“

Lokführer – sein Traumberuf. Aber neun Jahre später, mit 56, will Wieler nicht mehr. „Ich habe gesagt: Ich fahre keinen Meter mehr.“ Noch heute schreckt er nachts hoch. „So etwas wird man nicht los.“

Schließlich sagt er: „Ich habe ja noch viel Schlimmeres gesehen, in all den Jahren.“ Dann bricht die Stimme. Nach einer langen Pause die Frage, ob er mehr davon erzählen wolle. Er schüttelt den Kopf.

Krisenmanagement ist Pflicht in der Ausbildung

Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass irgendwo im Land ein Kollege Ähnliches durchmachen muss. Petra Stolle weiß das. Sie ist bei der Deutschen Bahn für das psychologische Krisenmanagement zuständig und koordiniert Notfalleinsätze – auch den in Kellmünz. Sie sitzt in Frankfurt am Telefon. Aus Berlin ist eine Pressesprecherin zugeschaltet. Was darauf hinweist, wie heikel das Thema für den Konzern sein muss.

Psychologische Betreuung, das ist ein Bereich, in dem der Konzern hinzugelernt habe, räumt Petra Stolle ein. Es ist kein Geheimnis, dass die ICE-Entgleisung von Eschede 1998 mit 101 Toten einschneidend für die Bahn war. „Heute wissen wir durch die Forschung einfach mehr über posttraumatische Belastungssituationen“, sagt Stolle. Ein Seminar über den Umgang mit belastenden Ereignissen ist für Lokführer und Zugbegleiter nun Pflicht in der Ausbildung. Petra Stolle und ihre Kollegen unterrichten auch diejenigen, die in direktem Kontakt zu Lokführern stehen, also Vorgesetzte und „Vertrauensleute“, wie Stolle sie nennt. Kollegen, die in den ersten Tagen nach einem Unfall den direkten Draht zu den Betroffenen pflegen sollen.

Sollten die Probleme so gravierend sein, dass eine intensivere Betreuung nötig ist, dann – und nur wenn der Mitarbeiter dies wünscht – wird einer der bundesweit etwa 25 Psychologen kontaktiert, die bei einem Kooperationspartner der Bahn arbeiten. Darüber hinaus, so Stolle, stehe für die Beschäftigten eine telefonische Beratung zur Verfügung – auf Wunsch auch anonym.

Und wie sieht nun die Unterstützung nach einem Unfall konkret aus – in dem Moment, in dem der Lokführer „zunächst auf seiner Lok alleine ist und in ein Loch fällt“, wie Petra Stolle sagt? Sie erklärt das so: Zunächst muss der Mitarbeiter die Fahrdienstleitung alarmieren. Dort sei der Kollege darauf geschult, wie er helfen kann, welche Fragen er überhaupt stellen darf. Dann rücken Notfallmanager und Kollegen für die Mitarbeiterbetreuung aus.

Obligatorisch sei heute, dass der Lokführer sofort abgelöst wird, auch wenn der Zug nicht beschädigt ist, sagt Stolle. Das war nicht immer so. Früher setzte ein Lokführer schon mal die Fahrt fort, wenn er sich dazu in der Lage sah. Nun bringt ihn ein geschulter Kollege nach Hause – selbst, wenn es beim Unfall keine Verletzten gab, der Lokführer aber zum Beispiel einen großen Holzklotz überfahren hat.

Nun hat die Bahn in den vergangenen Jahren mit einer ganzen Kette von Entscheidungen den Unmut von Kunden und Mitarbeitern auf sich gezogen. Um den Gewinn zu steigern, spart sie an allen Ecken, auch am Personal. Ihr psychologisches Krisenprogramm dagegen findet auch bei der sonst so kritischen Lokführer-Gewerkschaft GDL Anklang. „Die Deutsche Bahn hat in diesem Bereich viel getan“, lobt Sprecherin Gerda Seibert. Nachholbedarf gebe es dagegen bei der Bahn-Konkurrenz, den kleineren Gesellschaften, die aber gar nicht so klein seien: „Da stehen Konzerne dahinter, die könnten mehr tun.“

Warnsignal, Notbremsung – alles ordnungsgemäß

Was also ist nun mit den Lokführern nach den schweren Unfällen in der Region? Im Günzburger Fall sagen Ermittler, der Mann im Führerstand habe ein Warnsignal gegeben und sofort gebremst. Ihn trifft keine Schuld. Körperlich blieb er unverletzt. Aber er muss damit fertig werden, zwei Mädchen totgefahren zu haben. Informationen über seinen Gesundheitszustand gibt es nicht.

Bahn-Psychologin Petra Stolle will auch nichts über den Kellmünzer Lokführer sagen. „Das gebietet die Schweigepflicht.“ Ein Zeuge berichtet, er sei leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Aber erst, nachdem er die Fahrgäste versorgt hatte.

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