Das kommt auf die Schüler im G9 zu
Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle legt Stundentafel für das neue neunjährige Gymnasium vor
Mehr Digitalisierung, mehr politische Bildung, mehr Unterrichtsstunden von der fünften Klasse bis zum Beginn der Oberstufe vor allem in den Kernfächern – dafür in den Jahrgängen fünf bis acht „in der Regel“ keinen Nachmittagsunterricht mehr. So sehen die zentralen Eckpunkte der am Dienstag vom Kultusministerium vorgelegten künftigen Stundentafel für das neue neunstufige Gymnasium aus, das in Bayern im Herbst 2018 starten soll.
„Kein Fach wird schlechter gestellt, viele Fächer werden gestärkt“, sagte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Naturgemäß habe man nicht alle Wünsche an die Unterrichtsaufteilung erfüllen können. Erreicht habe man aber „einen Kompromiss auf hohem Niveau“.
Anstatt wie bisher 265 Wochenstunden verteilt über die Jahrgangsstufen fünf bis zehn sollen Bayerns Gymnasiasten künftig von der fünften bis zur elften Klasse rund 19 Wochenstunden mehr absolvieren müssen. Allein elf dieser zusätzlichen Wochenstunden stehen zur Stärkung der Kernfächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen zur Verfügung. Die zweite Fremdsprache startet wie bisher in der sechsten Klasse. Informatik wird von zwei auf vier Wochenstunden verdoppelt. Die politische Bildung vor allem in den Fächern Geschichte und Sozialkunde wird um drei Wochenstunden verstärkt. Einzig die Fächer Biologie, Wirtschaft/Recht und Geografie bekommen keine zusätzlichen Wochenstunden.
Das bisherige G8 werde also nicht einfach – wie in anderen Bundesländern – auf neun Jahre gestreckt, bekräftigte Spaenle: „Wir investieren zusätzlich.“ Auch die individuelle Förderung mit drei verpflichtenden und sechs freiwilligen Intensivierungsstunden bleibe bestehen.
Die Umgestaltung der auf das Abitur vorbereitenden Oberstufe wird mit Verbandsvertretern von Lehrern, Eltern und Schülern noch weiter diskutiert. Ebenfalls noch offen sind die Details der „Überholspur“, mit der begabte Gymnasiasten das Abitur auch künftig in acht Jahren erreichen sollen, sowie der neue Lehrplan. Völlig neu konzipiert wird die elfte Jahrgangsstufe: Neben einer Schwerpunktsetzung auf digitale und politische Bildung sollen dort vorwissenschaftliches Arbeiten, fächerübergreifende Projekte sowie Berufsorientierung im Zentrum stehen.
Verbandsvertreter zeigten sich gestern weitgehend zufrieden mit der neuen Stundentafel: Diese stärke „vor allem die Fächer, die für zukünftige Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft wichtig erscheinen“, sagte der Vorsitzende der Direktorenvereinigung Walter Baier. Es bleibe künftig mehr Zeit, politische Themen zu diskutieren, lobte Landesschülersprecherin Acelya Aktas, die sich allerdings „mehr Wahlfreiheit und Vertiefungsmöglichkeiten“ gewünscht hätte. „Die Taktung an den Schulen wird noch enger“, sagte Simone Fleischmann vom Lehrerverband BLLV. (rys)
Die Diskussion ist geschlossen.
Bleiben im neuen bayerischen G9 die Naturwissenschaften auf der Strecke?
Bei der geplanten Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) hat der bayerische Kultusminister Spaenle am Dienstag, den 25.Juli 2017 verkündet, es gäbe „mehr Lernzeit, mehr digitale und politische Bildung, starke Kernfächer und Naturwissenschaften“ ( KM, PM 296/2017). Entgegen seinen Beteuerungen werden die Naturwissenschaften aber nicht gestärkt, sondern Chemie und Biologie kommen in der neuen 11. Klasse gar nicht vor, wie der am Dienstag vorgestellte Entwurf der neuen Stundentafel für das neusprachliche Gymnasium zeigt. Von starken Naturwissenschaften kann man deshalb nicht sprechen, Orientierungsmöglichkeiten in den Naturwissenschaften sind in der 11. Klasse nicht gegeben. Seit Einführung des achtjährigen Gymnasiums sind die Abiturientenzahlen im schriftlichen Abitur in Bayern um 74 % (Physik), 83 % (Chemie) und 92 % (Biologie) zurückgegangen. Diese Zahlen sind alarmierend, mit der vorgesehenen 11. Klasse ist keine Besserung in Sicht.Die Deutsche Physikalische Gesellschaft, (DPG, Beauftragter des Vorstands der DPG für Schulangelegenheiten in Bayern), der Verband zur Förderung des MINT-Unterrichts (MNU Südbayern und Franken), der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO, Landesverband Bayern) sowie der Verband der Chemielehrer Bayerischer Gymnasien (VCBG) haben in einem gemeinsamen Positionspapier „MINT-Bildung sichert den Technologiestandort Bayern“ versucht, dem Kultusministerium zu verdeutlichen, dass mit dem aktuellen Entwurf das falsche Signal gesetzt wird. Die naturwissenschaftliche Bildung darf nicht vernachlässigt werden. Schon heute ist der Anteil an Studienabbrechern bei naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen enorm hoch und auch die medizinischen Fakultäten beklagen das fehlende grundlegende naturwissenschaftliche Verständnis ihrer Studierenden.Die jetzt geplante Reform des bayerischen Gymnasiums zurück zum G9 wird nach dem derzeitigen Entwurf leider zu weiteren Defiziten im naturwissenschaftlichen Bereich führen, warnen DPG, MNU, Landesverband Bayern im VBIO und VCBG. Es wird daher jetzt umso wichtiger sicherzustellen, dass eine verstärkte "Profilbildung in der Qualifikationsphase“ für alle Naturwissenschaften möglich wird. Denn erst in der Oberstufe können viele der komplexen Inhalte der Naturwissenschaften sinnvoll vermittelt werden. Die Lücken in der Orientierungsphase der neuen 11. Klasse sind dafür das falsche Signal und fördern in keinster Weise die gesellschaftlich dringend notwendige Scientific Literacy.Die derzeit vorliegende einseitige sprachlich-humanistische Ausrichtung des bayerischen Gymnasiums ist weder zeitgemäß noch wirtschaftlich vertretbar. Gemeinsam sprechen sich die naturwissenschaftlichen Verbände für einen Weg aus, der Sprachen und Naturwissenschaften im Abitur symmetrisch behandelt, also in einem naturwissenschaftlichen Profil eine Naturwissenschaft statt einer Fremdsprache im Abitur verpflichtend sein kann. Das bayerische Gymnasium muss die Pluralität der Begabungen und individuellen Neigungen seiner Schüler widerspiegeln. Ein entsprechender Entwurf für eine profilierte Oberstufe wurde daher dem Kultusministerium ebenfalls vorgelegt aber noch keine Antwort erhalten.