Der Schnee-Versteher
Andi Köberle ist Lawinen-Experte. Wie er die derzeitige Situation in den Alpen bewertet und worauf Winterurlauber unbedingt achten sollten
Andi Köberle schaufelt und schaufelt. Schon am frühen Morgen ist er im Grüntengebiet unterwegs, um sich ein Bild von der angespannten Schneelage und der Lawinensituation in den Bergen zu machen. Der 63-Jährige aus dem Oberallgäuer Burgberg ist Obmann der Lawinenkommission für die Oberallgäuer Gemeinden Rettenberg und Burgberg am Fuß des Grünten. Solche Kommissionen gibt es in den meisten Orten am unmittelbaren Alpenrand und in Bergen.
Das gegrabene Schneeprofil gibt Köberle Aufschlüsse über den Aufbau der Schneedecke. Dieser ist neben anderen Faktoren entscheidend für die Einschätzung der Lawinengefahr. Köberle interessieren auch Windverfrachtungen der Schneemassen oder beispielsweise eingelagerte Graupelschichten, die die Schneebrettgefahr erhöhen können. Er berät sich noch mit einigen weiteren Mitgliedern der örtlichen Lawinenkommission. Dann rät er der Gemeinde, die Straße am Fuße des Grüntenmassivs ab dem Gasthof Alpenblick wegen akuter Lawinengefahr zu sperren. Das wird vom Bürgermeister umgehend veranlasst.
„Ganz kritisch“ sei die Situation derzeit in den Bergen, sagt Köberle. Unten sei die Schneedecke vielerorts extrem feucht, was die Instabilität erhöht. Zudem gebe es eingelagerte Graupelschichten, die wie ein Kugellager das Abgleiten von Schneebrettern begünstigen können. „Und dazu kommt natürlich die enorme Schneemenge mit einer entsprechenden Last“, schildert der 63-Jährige, der in seiner Freizeit am liebsten auf Skitour oder sonst irgendwie in den Bergen unterwegs ist.
Bei seiner heutigen Exkursion hat der Lawinen-Experte festgestellt, dass auf der Südseite des Grünten „schon sauber was abgegangen ist“. Mächtige Schneebretter und Lawinen seien talwärts gedonnert. Deshalb steht für ihn fest: „Touren abseits gesicherter Pisten sind bis auf Weiteres absolut tabu.“
Die von den örtlichen Lawinenkommissionen gesammelten Daten gehen zur Auswertung auch an den bayerischen Lawinenwarndienst in München. Dort werden diese Beobachtungen und Messungen beim Erstellen des Lawinen-Lageberichts berücksichtigt. Informationen über die Schneedecke von Experten vor Ort seien „1000-mal mehr wert als automatisierte Daten von Messstationen“, sagt Hans Konetschny, Chef des Lawinenwarndienstes. Deshalb schicken neben den örtlichen Lawinenkommissionen über 30 Ehrenamtliche ihre Beobachtungsdaten täglich nach München, wo jeden Nachmittag der Lawinen-Lagebericht erstellt wird.
Die Lawinensituation wird in den kommenden Tagen im bayerischen Alpenraum angespannt bleiben. Am Freitag soll es kaum Niederschlag geben und Hubschrauber könnten mit dem kontrollierten Sprengen von lawinengefährdeten Hängen beginnen.
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