Ein Fazit vom Rockavaria: Rocker im Rentneralter und keine Albernheiten
Too old, too cold? Von wegen: Rocker im Rentner-Alter sind die Publikumsmagneten des Rockavaria 2015. Und vor den Toiletten muss keiner Angst haben. Eine erste Bilanz.
Überhaupt nicht gewagte, weil inzwischen extrem beobachtungsgesättigte These: Das Durchschnittsalter der Besucher von Rockavaria liegt im ungefähr exakt 17,43 Jahre höher als das von Festivals wie Rock im Park. Diejenigen nämlich, die etwa in Nürnberg als Tagesbesucher die Vollzeit-Campingsplatz-Besetzung ergänzen, sind diejenigen, die hier das Gros des Publikums ausmachen. Aber dazu passend dürfte die durchschnittliche Karrierelänge der hierauftretenden Bands auch ungefähr genau um den Faktor 4,87 höher liegen als dort.
Nehmen wir nur mal diesen Tag im Olympiastadion: allein Accept, Judas Priest und Kiss bringen es - die gegentlichen Auflösungen und Neugründungen mal beiseite gelassen - zusammen auf schlanke 130 Jahre seit ihrer Gründung. Dazu bräuchte es vom Format wie etwa The Darkness, die sich gerade parallel zu Priest in der Halle freudvoll lärmend Ovationen erspielt haben (auf übrigens mit Abstand der lautesten der drei Bühnen des Festivals - Limp Bizkit dort: Hölle!), so ungefähr neun Bands. Ein Hoch auf das Alter also? Jedenfalls passt das hier unweigerlich zusammen: Publikum und Line-Up.
Sieger des Samstags: Accept und Judas Priest
Die bisherigen Gesamtsieger jedenfalls sind eben Accept und Judas Priest. Letztere füllten das Olympiastadion zum ersten Mal schon sehr sehr gut, während auch Accept deutlich über dem mit Muse ja vergleichsweise jugendlichen Headliner von Freitagabend lagen. Und die Qualität stimmt bei den alten Hasen ja durchaus noch. Ron Halford eben kann sich mit seinen zarten 63 Jahren noch immer die teuflische Seele aus dem Lein kreischen - und Mike Tornillo von Accept mit seinen schlanken 60 verfügt noch über nahezu die gleiche Kraft. Hut ab, also - aber das kann man sich auch sparen, denn die Herren werden hier ohnehin gefeiert genug.
Das Wetter über München: Weiter trocken (kein Tropfen heute bislang!), bewölkt inzwischen schon, aber nicht regendunkel. Für hinreichend Schwärze sorgen ohnehin die ganzen Menschen hier mit der unverbrüchlichen Rockermode-Nichtfarbe, mal in Leder, mal in Strumpf, meist in T-Shirt. Was dafür freilich fehlt, sind weitgehend all die Albernen der jugendlicheren Festivals (nur ein paar ganz wenige Ganzkörper-Plüschhasen, keine im Delirium von "Freunden" mit Edding beschmierten, keine Quasi-Nackten) und all die schrägen Motto-T-Shirts. Keiner trägt hier etwa den Spruch "Ich kack zuhause" durch die Gegend, weil der Witz in dieser Umgebung ja auch fehlt. Die meisten gehen ohnehin nach Hause und vor den Toiletten muss keiner Angst haben.
Rockavaria 2015: Rockerkutten und Tattoos
Dafür gibt es inmitten all der Rockerkutten und der überall hervorquellenden, klassischen Rockertätowierungen an äußerem ungewöhnlich viel sorgsam Gestyltes zusehen. Heute sind freilich aufwendige Kiss-Maskeraden darunter, aber auch mal eine hübsche, katalogtaugliche Sommerkostümkombo samt passender Stöckel, bei der Dame, die der Herr im Hemd eingehakt übers Festivalgelände spazieren führt.
Schatz, wie wär's: Heute wieder Nymphenburg und die Traviata? Oder mal was Verrücktes? Genau. Jetzt dann nämlich: Kiss. Aber dass das verrückt war, ist eigentlich auch schon über 30 Jahre her - oder ist es gerade dadurch genau jetzt wieder so richtig verrückt?
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