Die Flüchtlinge sind nicht überall willkommen
Eine Verminderung der Flüchtlingszahlen ist nicht abzusehen. Das stellt Staat und Kommunen vor große Herausforderungen. Und nicht überall wird sachlich argumentiert.
„Abverteilung“ wird in bestem Amtsdeutsch das genannt, was in München ab Freitag passiert. Nachdem keine Ansteckungsgefahr mehr von vier an Masern erkrankten Personen besteht, werden rund 1700 Flüchtlinge an einen weiteren Ort ihrer monate- und manchmal auch jahrelangen Odyssee geschickt.
Überwiegend dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten
Nach Angaben der Regierung von Oberbayern werden morgen etwa 200 Asylbewerber nach Schwaben kommen. Für diese Woche, heißt es von der Bezirksregierung in Augsburg auf Nachfrage, sind für Schwaben bereits 111 Personen fest zugewiesen worden. Überwiegend dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten, für die Landkreise und kreisfreie Städte verantwortlich sind, seien vorbereitet. Gerüstet ist die Regierung nach den Worten ihres Sprechers Karl-Heinz Meyer auch dafür, „dass wir am Freitag oder am Wochenende weitere Personen aufnehmen können“.
Die Kaserne schnell wieder gefüllt
Die dann bis auf 100 Asylbewerber geleerte frühere Bayernkaserne in der Landeshauptstadt dürfte schnell wieder gefüllt sein. Denn nach dem Aufnahme- und Weiterleitungsstopp wurde das bayerische Kontingent an Asylbewerbern – der Anteil des Freistaats liegt bundesweit bei rund 15 Prozent – vorübergehend von anderen Bundesländern übernommen. Aus diesem Grund und angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen versucht das bayerische Sozialministerium, Kapazitäten zu schaffen. Neben dem Ausbau der Erstaufnahmelager in allen sieben Regierungsbezirken soll die Unterbringung in ehemaligen Kasernen die Not lindern. Roth bei Nürnberg, Fürth und Regensburg gehören zu den Standorten.
Donauwörth als Notlösung
Und auch in der Alfred-Delp-Kaserne auf dem Schellenberg in Donauwörth werden Flüchtlinge in einem Gebäude vorübergehend unterkommen. Diese „Notlösung“ zu befürworten – „das ist mir schon schwergefallen“, bekennt der stellvertretende Donauwörther Bürgermeister Jörg Fischer. Als ehemaliger Offizier möchte er sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das Militärgelände schnellstmöglich zivil genutzt werden kann. Aber: „Wo Menschen in Not sind, da muss man helfen“, sagt Fischer über seine christliche Einstellung. Wichtig ist ihm, dass die Unterbringung von 60 bis 80 Asylbewerbern vorübergehender Natur sein wird und die Konversion der militärischen Flächen dadurch nicht ins Stocken gerät. Die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten, die seit März Eigentümerin des Komplexes ist, hat mit der Regierung von Schwaben vertraglich eine weitere Nutzung über das Jahresende hinaus ausgeschlossen. Fischer hat „mit großem Erstaunen“ bisher keine negativen Äußerungen von Bürgern gehört. „Weder am Telefon, noch per Mail oder schriftlich.“ In sozialen Netzwerken, die er „den Pranger der Neuzeit“ nennt, beteiligt er sich allerdings nicht an Diskussionen.
Heftige Diskussion in Kempten
Nicht so leise verläuft die Diskussion um weitere Plätze für Flüchtlinge im Allgäu. In Kempten ist schon in den nächsten Tagen eine „Notunterkunft zur vorübergehenden Unterbringung von Asylbewerbern“ geplant, wie es in der gemeinsamen Pressemitteilung der Bezirksregierung und der Stadt heißt. Das leer stehende ehemalige Straßenbauamt in der Maler-Lochbihler-Straße soll für insgesamt 120 Asylsuchende genutzt werden. CSU-Stadtrat Peter Wagenbrenner lehnt das Asylbewerberheim mitten in der Stadt ab. Wagenbrenner hatte vor einem „Aufstand der Bevölkerung“ gewarnt. Anlieger hatten sich in einer Befragung in der Allgäuer Zeitung teils rassistisch geäußert: Von „Wegsprengen“ sprach einer. Und ein anderer wurde mit den Worten zitiert: „Da besorg’ ich mir ein Gewehr.“
Willkommenskultur statt Fremdenfeindlichkeit
Parteikollegen gehen auf Distanz zu dem Stadtrat, der pikanterweise in der kreisfreien Stadt auch für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zuständig ist. Der SPD-Fraktionschef Siegfried Oberdörfer – gleichzeitig Integrationsbeauftragter der Stadt – fordert, Kempten müsse weltoffen bleiben. „Statt Fremdenfeindlichkeit fordere ich eine Willkommenskultur.“
Inzwischen hat den Bayerischen Flüchtlingsrat die heftig geführte Debatte erreicht. Die Organisation spricht davon, dass ein Stadtrat den „Aufstand der Unanständigen“ probt. Und Sprecher Stephan Dünnwald kritisiert: „Woanders hetzen Rechtsradikale gegen die Unterbringung von Flüchtlingen. In Kempten scheint ein Anheizen der Stimmung gegen Flüchtlinge auch in der CSU hoffähig zu sein.“ Auf der von Stadt und Bezirksregierung angesetzten „Informationsveranstaltung für Nachbarn und Anwohner“ dürfte es heute Abend hoch her gehen, vermuten Beobachter.
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