Die Milch-Rechnung
Im Supermarkt kostet der Liter Milch zwar 20 Prozent mehr. Den heimischen Landwirten hilft das allerdings wenig. Ihre Erzeugnisse werden vor allem zu Käse verarbeitet.
Vier Jahre nach dem großen Milchstreik gehen die bayerischen Bauern erneut auf die Straße. Zusammen mit Landwirten aus ganz Europa schlagen sie seit gestern Alarm in Brüssel. Die Preise, die von den Molkereien bezahlt werden, seien mittlerweile so niedrig, dass sie ihre Betriebskosten nicht mehr decken könnten, klagen die Demonstranten – allen voran die Mitglieder des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM).
Milchpreise in 2012 drastisch gesunken
Ist die Lage der heimischen Milchbauern wirklich so schlecht?
Der Milchpreis ist in den vergangenen Monaten drastisch gesunken. „Das Jahr 2012 war schlecht“, betont Günther Felßner, Milchpräsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Während die Erzeuger 2011 noch durchschnittlich 35,8 Cent pro Kilo Milch bekamen, stürzte der Preis in der Folge deutlich ab. Im Sommer lag er mit 30 Cent so niedrig wie vor zwei Jahren. Zuletzt zahlten die Molkereien den Landwirten wieder etwas mehr. Bei den schwäbischen Bauern waren es 32,8 Cent. Das geht aus den Zahlen des Milcherzeugerverbands Bayern hervor.
Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter fordert mindestens 40 Cent
Welchen Preis fordern die Bauern?
Der BDM verweist seit Jahren darauf, dass mindestens 40 Cent notwendig sind , um kostendeckend produzieren zu können. Wie Sprecher Hans Foldenauer betont, gibt es bundesweit aber keine Molkerei, die diesen Preis bezahlt. Da zuletzt aber auch die Kosten für Energie, Futter und Dünger enorm gestiegen sind, geht der BDM bereits von notwendigen 50 Cent aus.
Wieso sind die Preise für Milch so stark gefallen?
Die Landwirte leiden zum einen darunter, dass die Nachfrage in wichtigen Exportmärkten eingebrochen ist. In Griechenland, Italien und Spanien sparen die Bürger – auch an Milchprodukten. Hinzu kommt, dass die deutschen Bauern in diesem Jahr etwa drei Prozent mehr Milch produziert haben als 2011. Das, argumentiert Milchpräsident Felßner, führe auch zu einem Preisverfall.
Aber Milch ist doch zuletzt im Supermarkt teurer geworden...
Aldi Süd hat Anfang November die Preise um 20 Prozent angehoben. Seither kostet der Liter fettarme Milch 54 statt 45 Cent. Vollmilch ist ebenfalls um neun Cent teurer geworden und kostet nun 60 Cent. Wie das Marktanalyse-Unternehmen Planet Retail bestätigt, hat die Konkurrenz nachgezogen. Die fünf großen Handelsketten vertreiben in Deutschland rund 80 Prozent der Milch. Ihre Macht ist daher enorm. Die Preise, die sie mit den Molkereien vereinbaren, gelten stets für ein halbes Jahr. Die Bauern seien, wie Felßner betont, der Industrie mehr oder weniger hilflos ausgeliefert.
Warum profitieren die Landwirte nicht von der Preissteigerung?
„Bis die Erhöhung bei den Bauern ankommt, dauert das“, sagt Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Verbands der Milcherzeuger Bayern. Eine kleine Steigerung – 1 bis 1,5 Cent – haben die Molkereien bereits weitergegeben. Die höheren Preise gelten allerdings nur für die sogenannte weiße Linie. Allerdings wird nur acht Prozent der Milch im Freistaat zu Trinkmilch verarbeitet, zwölf Prozent zu Sahne, Quark oder Joghurt. Aus der Hälfte der Milcherzeugung wird Käse.
Milchbauern fordern mehr Einfluss beim Milchpreis
Was wollen die Erzeuger bewirken?
Die Bauern fordern mehr Einfluss auf die Gestaltung des Milchpreises, vor allem über die erzeugte Menge. Der Bauernverband sieht Chancen für die Landwirte, wenn die Milchquote wie geplant 2015 abgeschafft wird. „Der Milchmarkt funktioniert schon lange nicht mehr europäisch, sondern global“, sagt Felßner. Er setzt darauf, dass sich die Landwirte nach dem Fall der Quote neue Märkte erschließen. Der BDM wiederum fordert wirksame Marktsteuerungsmaßnahmen, um die Schwankungen beim Milchpreis zu umgehen. Neben Direktzahlungen, die den Landwirten gewährt werden, wird derzeit über einen Krisenfonds für Milchbauern diskutiert.
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