Dieser Koloss fährt auf der B17 als "Geisterfahrer" durch die Nacht
Wie ein 177-Tonnen-Koloss vom Münsterland nach Augsburg kommt und auf der letzten Etappe Zaungästen unerwartete Eindrücke bietet. Der riesige Aufwand ist hier kein Einzelfall.
Wo, wenn nicht an dieser engen Haarnadelkurve wird er Probleme bekommen? Hier, am Ausgang des Naturparks Augsburg Westliche Wälder hinunter nach Schwabmünchen, haben Motorradfahrer ihr Vergnügen, während ungeübte Autofahrer sich zuweilen eher stotternd um die Kurve tasten. Doch in der Nacht zum Mittwoch rollt hier ein 30 Meter langer Großraumtransporter bedächtig und ohne Stocken abwärts, als ob nichts wäre.
Schwertransport: Ein Trupp macht dem Koloss den Weg frei
Der Geruch zeugt von glühenden Bremsklötzen und auch die mit einem Stahlrohr angebundene hintere Zugmaschine bremst den Schubverband kräftig mit ab. Doch in Probleme gerät er selbst in der engen Kurve nicht. Einige der 20 Mann in dem Begleittross grinsen nur, Zaungäste staunen und ein Polizist sagt am Ende der sechseinhalbstündigen Fahrt von Ustersbach nach Augsburg: „Hut ab, das ist ein hervorragender Fahrer“. Es hatte noch mehr Herausforderungen gegeben.
Schneller als gedacht hatte der Konvoi samt 14 Begleitfahrzeugen weite Strecken im Süden des Augsburger Landes durchquert. Ein weiter Umweg war nötig, um keine Unterführung passieren zu müssen. In der Stadtmitte von Schwabmünchen wurde deutlich: Mit sechseinhalb Metern Höhe ist der transportierte Stahlkessel fast haushoch. Nicht im Naturpark, sondern hier in der verkehrsberuhigten Stadt stellten sich viele Hindernisse in den Weg: Ampeln, die über die Fahrbahn ragen, Verkehrsinseln, Alleebäume, Straßenlampen. Kein Problem für die Begleiter. Ein Trupp baute vor dem Transporter Hindernisse ab, der zweite stellt sie hinter dem Konvoi wieder auf. Hebebühnen und Werkzeuge: Alles hat man dabei.
Enormer Finanzaufwand: Was der Schwertransport des Gaskessels kostet
Ein ähnliches Bild, aber mit weit mehr Platz, bot sich nach vier Uhr morgens kurz vor dem Ziel in Augsburg. Selbst der Regen, der dort dazu kam, war auf der ebenen Fläche kein Problem mehr. Um 22 Uhr hatte die letzte Etappe eines insgesamt mehrwöchigen, rund 700 Kilometer langen Transports von Coesfeld in Westfalen begonnen. Als Premium Aerotec bei Haunstetten den Druckbehälter in Empfang nahm, in dem künftig Faserwerkstoffe mit Hitze und Vakuum zu Flugzeugteilen verarbeitet werden, war es 4.30 Uhr morgens. Rechtzeitig genug, um ein zuvor gesperrtes Teilstück der Bundesstraße 17 für den Berufsverkehr wieder frei zu machen.
„Alles problemlos verlaufen“, notierte die Polizei. Die eigentlichen Probleme hatte Jörg Rösner mit Kollegen eines auf Schwertransporte spezialisierten Unternehmens in den vorangegangenen fünf Monaten ausgekundschaftet und ausgeräumt. Allein im Großraum Augsburg musste die Statik von drei Brücken geprüft werden. 70 Telefonleitungen wurden während der Durchfahrt angehoben oder vorher abmontiert. Vier Hochspannungsleitungen zu Biogasanlagen und Aussiedlerhöfen wurden vorsorglich abgeschaltet, weil sie sich in der Hitze der vergangenen Tage gedehnt hatten und weiter als üblich durchhingen. Der Abstand zum Großraumtransporter sollte garantiert bleiben.
Die Planung dazu beginnt stets mit Routinearbeit. Freie Strecken auskundschaften, Genehmigungen einholen, Helfer der Elektrizitätswerke und Telekomunternehmen bestellen, ebenso Fahrzeuge zur Absperrung von Straßen und Kreuzungen. Und zwei Polizeiautos sind ebenfalls vorgeschrieben. Alles auf Rechnung des Transportunternehmens. Rund 300.000 Euro, so erwartet Jörg Rösner, werden an Kosten zusammenkommen. Das sei auch dem langen Weg vom Hersteller zum Adressaten geschuldet.
Warum dieser Schwertransport ganz besonders schwierig war
Immerhin die Hälfte der Strecke wurde per Schiff auf Rhein und Neckar zurückgelegt. Komplizierter waren die 330 Kilometer Fahrstrecke ab Heilbronn über Land. Gefahren wurde nur nachts. Der Verkehr sollte so wenig wie möglich behindert werden. Wegen der Höhe des Transportguts blieben für die Routenwahl meist nur Landstraßen. Bundesstraßen und Autobahnen sind oft von Brücken überspannt. Außerdem müsste unterwegs zu viel Verkehr gestoppt oder umgeleitet werden.
So viel Aufwand ist nicht bei allen 2100 Schwertransporten nötig, die das Polizeipräsidium Schwaben Nord alleine im Jahr 2016 registrierte. Die meisten von ihnen gehen mit weniger Aufsehen über die Bühne, sind nicht so breit, so lang oder so schwer und behindern den Verkehr oft weit weniger als jene zwei bis drei Großraumtransporte pro Jahr, die Schlagzeilen machen.
Alle haben jedoch oft den Raum Augsburg als Ausgangspunkt oder als Ziel. Von hier rollen Schiffsdiesel zu Werften, Flugzeugteile zu Airbuswerken und Brückenträger zu großen Baustellen. Gleichzeitig werden Windkraftanlagen angeliefert oder Containeranlagen als provisorische Unterkünfte. Alleine das Klinikum Augsburg ließ sich in den vergangenen Monaten mit 167 Schwertransporten Raumzellen liefern, die dort die Umbauzeit überbrücken helfen.
Begleitet wird die Planung jeweils von der Regierung von Schwaben. Ihr sind Baustellen und gesperrte Ortsdurchfahrten gemeldet. Überwacht wird die Durchführung vom Sachgebiet Verkehr beim Polizeipräsidium Schwaben Nord. Dort organisieren Martin Schomanek und seine Kollegen Streifenwagen von den jeweiligen Inspektionen entlang der Strecke. Die Absicherung des Transports ist in Bayern nicht Aufgaben der Polizei. Die Streifenbesatzungen dienen vielmehr als zusätzlicher Schutz des Verkehrs.
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