Drogensüchtiger fälscht Rezepte für Schmerzpflaster
Ein 32-Jähriger täuscht dutzenden Ärzten schlimmen Schmerzen vor, um sich Rauschgift zu ergaunern. Dafür muss er nun viereinhalb Jahre in Haft. Der Mann ist kein Einzelfall.
Ärzte hat der 32-Jährige, der am Montag als Angeklagter im Saal des Memminger Landgerichts saß, im vergangenen Jahr genügend gesehen. Hilfe bei einem Leiden erwartete er nicht. Sie sollten nur seine Drogensucht befriedigen – was die meisten auch in gutem Glauben taten.
Drogenpflaster im Wert von 20 000 Euro
Zwischen Januar und Dezember 2013 ergaunerte sich der Mann aus dem südlichen Landkreis Günzburg bei Ärzten Rezepte für Schmerzpflaster mit dem Wirkstoff Fentanyl im Wert von mehr als 20 000 Euro. Dafür muss er nun vier Jahre und sechs Monate in Haft, die er in einer geschlossenen Therapieeinrichtung verbüßen wird.
„Sie sind clever und raffiniert vorgegangen“, bescheinigte Richterin Brigitte Grenzstein dem Angeklagten. 92 Einzeltaten wurden dem ungelernten Arbeiter zur Last gelegt.
Atteste hatte er zu Hause am Computer angefertigt
Immer wieder suchte er Ärzte auf, erzählte, dass er wegen eines Bandscheibenvorfalls auf Schmerzpflaster angewiesen sei. Zur Bestätigung legte er ärztliche Atteste vor, die er am heimischen Computer angefertigt hatte. Oder er klebte sich vor dem Praxisbesuch ein Schmerzpflaster auf die Brust und zeigte dieses vor.
Misstrauisch wurde kaum ein Mediziner, die meisten stellten das verlangte Rezept aus. „Untersucht hat man mich nie“, sagte der Mann der Richterin. Die ergaunerten Pflaster kochte er aus und spritzte sich den Wirkstoff.
Um nicht aufzufallen, verteilte er seine Arztbesuche über halb Schwaben: Vom südlichen Landkreis Günzburg und dem Unterallgäu weitete er sein „Revier“ auf den nördlichen Landkreis Günzburg und die Kreise Neu-Ulm und Dillingen aus.
Auch Rezepte gefälscht
Im Auto des Angeklagten fand die Polizei bei der Festnahme eine Liste mit Arztpraxen aus ganz Nordschwaben und ihren Öffnungszeiten. Wenn dem Mann die verschriebene Menge nicht reichte, fälschte er die Rezepte und setzte eine höhere Zahl an Schmerzpflastern ein.
Auch als ein Günzburger Apotheker im Sommer 2013 solch eine Fälschung entdeckte und der Name des Angeklagten mit einem Warnhinweis unter Ärzten und Apothekern verteilt wurde, hielt ihn das nicht auf.
Teilweise mehrere Praxen an einem Tag
Der Mann verlegte seine Aktionen auf die Stadt und den Landkreis Augsburg sowie weiter in den Kreis Neu-Ulm hinein und wurde bei den Ärzten mit neuem Namen vorstellig. Das funktionierte: Ab November besuchte er teilweise mehrere Praxen am Tag.
„Ich bin erstaunt, wie unkompliziert Sie an die Fentanylpflaster gekommen sind“, sagte Richterin Brigitte Grenzstein.
"Ärzte-Hopping" ist kein Einzelfall
Mit diesem Vorgehen ist der Mann beileibe kein Einzelfall. „Ärzte-Hopping“ nennen die Polizisten diese Art der Drogen-Beschaffung. „Am besten packt man dieses Problem bei der Verschreibungspraxis an“, sagt Jürgen Schweizer, der Chef der Neu-Ulmer Kriminalpolizei.
Die Ermittler wollen Ärztekammer und Krankenkassen für die Problematik sensibilisieren. Bei unbekannten Patienten, die in die Praxis kommen und Schmerzpflaster verlangen, sei gesundes Misstrauen angebracht. Auch bei den Krankenkassen wirbt die Kripo um erhöhte Wachsamkeit.
Bis zu zehn Schmerzpflaster am Tag
Der Verbrauch ist bei Drogenkonsumenten deutlich höher als bei wirklichen Patienten. „Am Ende habe ich zehn Pflaster am Tag verbraucht“, sagte der Memminger Angeklagte. Eine Zahl, die auch die Richterin und den psychiatrischen Gutachter vom Bezirkskrankenhaus stutzen ließ. „Das ist schon extrem hoch“, sagte Grenzstein.
Der 32-Jährige hatte mit seinem Stiefvater und seiner Lebensgefährtin gemeinsam die Drogen beschafft und teils auch konsumiert – beide erwarten ebenfalls noch Strafverfahren.
Festgenommen wurde das Trio im Dezember vergangenen Jahres in Diedorf (Landkreis Augsburg). Zwei Augsburger Ärzte hatten das Attest, das der angebliche Patient vorgelegt hatte, überprüft und den Schwindel aufgedeckt.
Der Verurteilte will eine Therapie machen
Die Polizei war dem Mann schon einige Zeit auf den Fersen und nahm ihn am 10. Dezember 2013 fest. Seitdem saß er in Untersuchungshaft.
Hinter Gittern habe er Zeit zum Nachdenken gehabt, sagte der Mann. Er wird seine Strafe in einer geschlossenen Therapieeinrichtung verbüßen. Ein früherer Versuch, sich von der Sucht kurieren zu lassen, war allerdings nach etwa einem Jahr gescheitert. Seit 2004 hatte er mit Drogen zu tun, dabei gab es immer wieder Abstürze.
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