Ein Jahr nach Sturzflut in Franken: Bei Gewitter ist die Angst zurück
Auf der Wasserscheide der Frankenhöhe hat vor einem Jahr ein Unwetter Millionenschäden angerichtet. Diese sind weitgehend behoben - doch die Angst der Anwohner bleibt.
Wenn die ersten Blitze zucken und von Ferne Donner grollen, ist es mit Thomas Stöhrs Ruhe vorbei: "Jedes Mal stelle ich mir dann die Frage: Wie arg wird es dieses Mal?", berichtet der Gasthofbetreiber und Nebenerwerbslandwirt in dem idyllisch gelegenen 150-Seelen-Ort Sondernohe. Wie "arg" es werden kann, hatte er vor fast genau einem Jahr leidvoll erlebt - noch heute hat er das Trauma anscheinend nicht komplett überwunden.
Am Abend des 29. Mai 2016 war eine Gewitterfront von Südwesten herangezogen und hatte binnen weniger Stunden Millionen von Liter Wasser über der Frankenhöhe abgeladen. Die Sturzflut hinterließ in die Region um Flachslanden (Landkreis Ansbach) und Obernzenn (Landkreis Neustadt/Aisch) eine Schneise der Verwüstung und verursachte Sachschäden in Millionenhöhe.
Hochwasser in Franken noch immer ein Rätsel
Für Stöhr ist die Szene so lebendig in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen: Der plötzlich einsetzende Starkregen ließ nicht nur in kürzester Zeit den schmalen Kemmath-Bach anschwellen, sondern spülte auch aus den umliegenden Anhöhen große Wassermassen in den Ort. Selbst tonnenschwere Abfall- und Glascontainer rissen die schlammig-braunen Fluten mit sich, verstopften Bachdurchlässe und zertrümmerten zahlreiche Garagentore, Brücken und Kellerzugänge.
Für den Bürgermeister von Flachslanden, Hans Henninger, ist das Mai-Hochwasser auch ein Jahr danach ein Rätsel: "Es hat keiner damit gerechnet, dass sowas kommt. Schließlich liegen wir hier nicht im Tal, sondern 500 Meter hoch auf der Wasserscheide der Frankenhöhe. Da denkt doch niemand an Hochwasser", zeigt er sich erstaunt.
Tatsächlich waren, wie sich nachträglich herausgestellt hat, nicht die über die Ufer tretenden schmalen Bäche das Problem, sondern die gewaltigen Wassermassen, die am Abend des 29. Mai 2016 über der Frankenhöhe niedergegangen waren - und sich über bewaldete Hänge und Äcker einen Weg in die darunter liegenden Orte bahnten. "Über Sondernohe gingen in der Unwetternacht 130 Liter pro Quadratmeter nieder, 90 Liter davon allein zwischen 19.00 und 21.00 Uhr", berichtet Stöhr.
Viele Bürger blieben nach Hochwasser auf dem Großteil der Kosten sitzen
Nach dem ähnlichen Muster wurde auch das benachbarte Obernzenn von dem Unwetter heimgesucht. Dabei hat man hier schon früh Vorsorge getroffen, wie Bürgermeister Markus Heindl (CSU) berichtet. Mit dem Obernzenner See wurde in den 1980er Jahren ein Hochwasserpuffer geschaffen. Doch selbst der konnte die Wassermassen nicht mehr stemmen: Stundenlang schossen Tausende von Kubikmeter Wasser über einen Notablauf in den Ort und verwandelten Teile von Obernzenn in eine Seenlandschaft.
Die dadurch entstandenen Schäden für Bürger und Geschäftsleute summieren sich nach Heindls Angaben in Obernzenn auf 650 000 Euro. Diese Summe hätten jedenfalls 220 Obernzenner in Anträgen bei der Stadt geltend gemacht. Zwei Häuser hätten - auch wegen massiver Ölschäden - bis auf den Rohbau entkernt werden müssen. Chancen, die Folgen solcher Sturzfluten für den Ort künftig abzumildern, sieht das Gemeindeoberhaupt kaum: "Da müssten wir um Teile des Ortes Dämme bauen."
Ungleich stärker war von dem Mai-Unwetter Flachslanden mit seinen Ortsteilen Sondernohe, Borsbach und Kettenhöfstetten betroffen. Selbst nach Abzug der Soforthilfe der Staatsregierung von 4000 Euro und einem Spendenaufkommen von 273 000 Euro blieben viele Bürger auf einem Großteil ihrer Kosten sitzen. Insgesamt waren im Rathaus von Flachslanden 1,36 Millionen Euro an Hilfegeldern beantragt worden. Bei der Gemeinde schlug zudem die Sanierung der zerstörten Feldwege mit rund 500 000 Euro zu Buche.
Die Stöhrs, die inzwischen ihren Gasthof samt kleinem Biergarten wieder schmuck hergerichtet haben, geben auf solche Zahlenspielereien nicht viel. "Wie soll man Schaden messen? Wir mussten unseren Gasthof ein Vierteljahr schließen. Hier musste alles erst mal austrocknen. Wer kommt für den Umsatzausfall auf?", fragt Susanne Stöhr. Und wer zähle die Hilfe von Freunden, Nachbarn und Kollegen bei den Aufräumungsarbeiten.
Jedenfalls setzen die Stöhrs nicht darauf, dass sich so ein angeblich 500-jähriges Hochwasser nicht so schnell wiederholt. "Selbst wenn wir nur ein Drittel der letztjährigen Unwetternacht noch einmal abbekommen, haben wir ein Problem", macht Thomas Stöhr deutlich. Er hat deshalb vorsorglich zwei Pumpen in seinem Vorratskeller installieren lassen, einen der Kellerzugänge zugemauert und seinen gepflasterten Vorplatz um 40 Zentimeter anheben lassen. Von Klaus Tscharnke, dpa/lby
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