Ein tödlicher Schuss und offene Fragen
Nachdem ein Polizist in Aichach einen Mann erschossen hat, der mit einer Axt seinen Nachbar bedrohte, sind viele Fragen offen. Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich bedeckt.
Aichach Ramazan Öncü ist immer noch geschockt. Sein Nachbar ist am späten Sonntagnachmittag mit einer Axt auf ihn losgegangen – wegen eines Parkplatzes. Die beiden Männer waren in Streit geraten. „Er hat dann gesagt, warte mal kurz, ich komme gleich.“ Öncü ahnte Schlimmes und rettete sich hinter die Eingangstür zum Nebenhaus. Der Nachbar kam tatsächlich gleich wieder. Er hatte eine Axt dabei. Drei Mal schlug er in die massive Holztür. Die Spuren sind noch deutlich zu sehen. „Ich hab geschrien ,Hör auf‘“, erzählt Öncü. Dann rief er die Polizei. Kurz darauf fiel der tödliche Schuss.
Polizei und Staatsanwaltschaft schweigen
Am Tag danach hängt in dem Aichacher Wohnblock ein rot-weißes Absperrband der Polizei im Treppenhaus. Was genau hier geschah, darüber schweigen sich Polizei und Staatsanwaltschaft aus. Bekannt ist bislang: Bei dem Einsatz hat ein Polizist am Sonntag gegen 17.30 Uhr einen 47-jährigen Mann erschossen. Wie die Staatsanwaltschaft Augsburg mitteilt, hatten die Beamten versucht, in die Wohnung des Mannes zu gelangen. Dabei soll dieser die Beamten mit einer Axt angegriffen haben.
Mit Axt auf Nachbar los
Der Mann hatte sich dort verschanzt, nachdem er mit dem Nachbarn in Streit geraten war. Öncü hatte sein Auto im Hinterhof geparkt. Das ärgerte den 47-Jährigen, der Hausbewohnern zufolge selbst gar kein Auto hatte, offenbar so sehr, dass er laut Staatsanwaltschaft mit einer Axt auf den Nachbarn losging. Als die Polizei eintraf, hatte er sich bereits in seiner Wohnung im Nebenhaus verschanzt.
War es eine Notwehrsituation?
Polizei und Staatsanwaltschaft hielten sich zum Hergang äußerst bedeckt. Warum die Polizei versuchte, sofort in die Wohnung des Mannes zu gelangen, dazu gab es gestern keine Stellungnahme. Auch die Frage, warum die Beamten keine Verstärkung beziehungsweise ein Sondereinsatzkommando abwarteten, blieb unbeantwortet. Christian Engelsberger von der Staatsanwaltschaft sagte auf Anfrage: „Sie können davon ausgehen, dass das genau Schritt für Schritt überprüft wird.“ Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei weder sicher noch ausgeschlossen, dass es sich um eine Notwehrsituation gehandelt habe.
Der Polizeibeamte, der den tödlichen Schuss abgab, ist nach Informationen unserer Zeitung krankgeschrieben und wird psychologisch betreut. Weder zu seiner Person noch zu der des Getöteten machte die Staatsanwaltschaft nähere Angaben. Die Kriminalpolizei Ingolstadt wurde mit den Ermittlungen betraut. Nach ihrer Auskunft ist es in solchen Fällen üblich, dass nicht die Kripo im eigenen Präsidiumsbereich die Ermittlungen übernimmt.
Nach Informationen unserer Zeitung wurde nach dem Schuss auf den 47-Jährigen zunächst versucht, diesen wiederzubeleben. Der Mann stand seit längerem unter Betreuung. Er soll in psychologischer Behandlung gewesen und mehrfach als aggressiv aufgefallen sein. Seit 1984 lebte er in der vermüllten Wohnung. Seine Familie stammt aus Bosnien. Der Mann soll seit langem von seiner früheren Ehefrau getrennt sein und zwei Kinder haben, die im Kreis Aichach-Friedberg leben. Der Kontakt soll vor langem abgerissen sein.
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