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Augsburg
26.05.2015

Eine Frau spricht offen über ihre Fehlgeburten

Die beiden „Sternchen“ haben einen Platz in ihrem Garten gefunden. Melanie Reimer (links) hat zwei Fehlgeburten erlitten und ist jetzt froh, einen Platz zum Trauern zu haben.
2 Bilder
Die beiden „Sternchen“ haben einen Platz in ihrem Garten gefunden. Melanie Reimer (links) hat zwei Fehlgeburten erlitten und ist jetzt froh, einen Platz zum Trauern zu haben.
Foto: Birgit Hofmann

Frauen erleben eine Fehlgeburt als traumatisches Ereignis. Melanie Reimer redet darüber - und erzählt eine Geschichte über Liebe, Hoffnung und die Bestattung im eigenen Garten.

Die Sonnenstrahlen blinzeln über den Giebel des Nachbarhauses ins Wohnzimmer und fallen direkt auf den Esstisch. Es ist still an diesem Morgen. Der vierjährige Marlon ist im Kindergarten und die fast zwei Jahre alte Nila bei ihren Großeltern, die unterhalb der beiden mächtigen Tannen wohnen, nur wenige Meter den Hang hinunter. Am Fenster zum Garten liegen Spielsachen. Melanie Reimer hat sich immer vorgestellt, wie schön es wäre, wenn irgendwann drei Kinder ums Haus toben.

Wenn.

Hier in Ostrach zwischen Ravensburg und Sigmaringen, wo ihr Vater geboren und sie selbst mit ihren drei Geschwistern aufgewachsen ist, haben sich Melanie Reimer und ihr Mann vor zwei Jahren ein schönes Haus gebaut mit drei Kinderzimmern. Man schaut über eine weite Ebene mit Äckern und Wiesen. Als sie sich Anfang vergangenen Jahres entschlossen, ein drittes Kind zu bekommen, sah alles so aus, als würde sich das Glück, das sie mit ihren beiden anderen Kindern erleben, bald fortsetzen. Vier Monate später war Melanie Reimer schwanger. Doch dann . . .

Auf dem hellen Granitstein, der im Garten liegt, ruht in Engelsflügeln geborgen eine kleine Menschenfigur aus hellem Ton. Melanie Reimer, 35, beugt sich hinunter zu den beiden Sternen, die an den Seiten des Steins befestigt sind und die Daten 8. Juli 2014 und 15. Oktober 2014 tragen. Das sind die Tage, an denen sie zwei Fehlgeburten erlitt. Sie hat ihre beiden Sternchen, wie sie die ungeborenen Kinder nennt, im Garten beigesetzt. Dass dies möglich ist, wissen viele nicht. Auch eine befreundete Hebamme, die selbst eine Fehlgeburt erlitten hatte, erfuhr erst von ihr davon. Sie holte ihr Sternchen aus der Klinik und bestattete es im Grab der Großeltern. Als sie das Thema in der Klinik ansprach und das Trauma, das Frauen erleben, die ihr Kind verlieren, entgegneten ihre Kollegen nur: Das sei doch noch gar nichts in einem so frühen Stadium.

In der zwölften Woche schwanger, allein und unter Schock

Wenn Melanie Reimer heute an jenen Tag im Juli zurückdenkt, stellt sich dieses Gefühl der Leere wieder ein. Sie sieht sich auf dem Flur der Klinik sitzen, in der zwölften Woche schwanger, allein und unter Schock. Sie hatte kaum Zeit zu begreifen, was mit ihr passierte. Es ging alles so schnell. Ihre Hände hielten eine kleine, mit gelbem Papier beklebte Schachtel umklammert, kaum größer als eine Butterdose. In geschwungenen Buchstaben hatte sie die Worte Glaube, Liebe, Hoffnung daraufgeschrieben.

Wenige Stunden zuvor hatte Melanie Reimer zu Hause Blutungen bekommen. Ihren Mann konnte sie bei der Arbeit nicht erreichen, die Kinder hatte sie bei ihren Eltern untergebracht. Ihre Frauenärztin bot ihr an, den Eingriff sofort zu machen. So fand sie sich kurze Zeit später wartend auf die Vollnarkose. Dieses kleine Wesen, das in ihr herangewachsen war und auf das sich ihr Mann und sie so gefreut hatten, würde nie lebend geboren werden.

Sie hatten schon angefangen, das Zimmer für das Baby herzurichten und das große Gästebett verschenkt, das bis dahin in dem noch verwaisten Kinderzimmer stand. Als sie nach Hause kam, war ihr Mann da. Er hatte sich große Sorgen gemacht. „Wir haben uns in den Arm genommen und geweint“, erinnert sich Melanie Reimer. Ihre beiden ersten Schwangerschaften waren problemlos verlaufen. Und jetzt sollte plötzlich alles nicht mehr wahr sein, von einem Moment zum anderen?

Mit dieser Erfahrung ist Melanie Reimer nicht allein, weiß Dr. Roman Steierl, Chefarzt der Frauenklinik am Augsburger Josefinum, einer der zehn größten Geburtskliniken in Deutschland. Dort kommt es jedes Jahr über 300 Mal, also beinahe täglich, zu einer Ausschabung aufgrund einer Fehlgeburt. Der Eingriff ist kurz, in der Regel dauert er zwischen zehn und 15 Minuten. Er werde notwendig, sagt Steierl, wenn bei einer Fehlgeburt der Embryo oder der Mutterkuchen nicht oder unvollständig ausgestoßen wird.

Neben einer Kerze und einem Engel stehen die beiden letzten Ultraschall-Aufnahmen der Kinder auf einem Regal im Wohnzimmer.
Foto: Birgit Hofmann

Daneben gibt es Fehlgeburten, bei denen keine Operation nötig ist. Diese fänden oft vor der sechsten Schwangerschaftswoche statt, sagt der Chefarzt. 50 Prozent aller Fälle, in denen eine Eizelle von einer Samenzelle befruchtet wird, entwickeln sich nicht zu einer vollständigen Schwangerschaft weiter, erklärt er. Nur zehn bis 15 Prozent dieser Fehlgeburten seien überhaupt klinisch wahrnehmbar.

Wie die Frauen auf dieses Ereignis reagieren, hängt vor allem davon ab, wie tief die Beziehung zu dem ungeborenen Wesen in ihrem Innern schon ist, sagt Steierl. So gebe es Patientinnen, die mit einem sehnlichen Kinderwunsch in die Klinik kommen. „Diese Frauen bauen eine zunehmend tiefe Beziehung zu ihrem noch ungeborenen Kind auf.“ Wenn dann plötzlich der Herzschlag nicht mehr da ist, sei dieser Verlust besonders schwer.

„Wir versuchen immer, die Patientin der Situation gemäß auch menschlich zu betreuen“, sagt Steierl. Auf jeden Fall sei es für die Frauen eine große Hilfe, wenn sie merken, dass ihre Trauer nachvollzogen und verstanden wird. Steierl versteht allerdings auch, dass betroffene Frauen oft eine Scheu haben, über das Thema zu sprechen. „Eigentlich gibt es dazu aber keinen Grund“, sagt er. Eine Fehlgeburt sei kein Makel.

Früher hat man sich kaum um Frauen gekümmert, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Das Thema wurde totgeschwiegen, Frauen bekamen bei späten Fehlgeburten ihre Kinder oft gar nicht zu sehen. „Das sind Traumata von Frauen und Familien, die bis heute weitergehen“, sagt Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Zum Teil träumen die Frauen von ihren verstorbenen Kindern. Ende der 80er Jahre fand man heraus, dass der Trauerprozess entscheidend von der Begleitung vor, während und nach der Fehlgeburt abhängt. Heute gibt es in vielen Kliniken begleitete Abschiedszeremonien.

Melanie Reimers Frauenärztin hatte zwei Wochen, bevor die Blutungen auftraten, bei der Ultraschall-Untersuchung keinen Herzschlag bei dem Embryo feststellen können und ihr gesagt, dass sie sich darauf einstellen müsse, eine Fehlgeburt zu erleiden – oder aber, Zwillinge zur Welt zu bringen. Man müsse abwarten.

Die 35-Jährige hätte sich schon hier mehr Aufklärung gewünscht. Der Gedanke war ihr unerträglich, dass ihr Kind dann in der Klinik bleibe und sie nicht weiß, was mit ihm passiert. Sie rief ihre Freundin Ulrike Hess an, die in Ravensburg ein Bestattungsunternehmen leitet. Hess, 51, Sozialarbeiterin und Lehrerin an einer Berufsfachschule für Altenpflege, hat selbst vier Söhne. Sie riet ihrer Freundin, eine Schachtel zu gestalten, in der sie ihr Kind mitnehmen könne. Falls es Probleme gebe, bot sich die Bestatterin an, es persönlich abzuholen.

Noch am selben Abend verließ die 35-Jährige die Klinik mit ihrem toten Kind

Melanie Reimer war froh, dass ihre Ärztin, die sie zuvor als sehr nüchtern erlebt hatte, vor dem Eingriff zu ihr kam und das Kästchen persönlich in Empfang nahm. Noch am selben Abend verließ die 35-Jährige die Klinik mit ihrem toten Kind – auch wenn es als solches noch nicht erkennbar war. Fehlgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm und ohne Lebenszeichen sind nach dem Personenstandsgesetz keine Personen. Es besteht keine Pflicht, sie zu beerdigen.

Die Eltern haben prinzipiell aber das Recht, ihr Kind bestatten zu lassen, sagt Bruno Ott, der am Augsburger Josefinum als Klinikseelsorger immer wieder mit trauernden Müttern und Vätern zu tun hat. Die Kliniken und auch die zuständigen Gynäkologen hätten dabei die wichtige Pflicht, die Eltern über ihre Bestattungsrechte aufzuklären. Die Fehlgeburten des Josefinums werden mehrere Male im Jahr auf einem der Augsburger Friedhöfe beigesetzt. Im Berufsbildungswerk werden dafür eigens kleine Särge angefertigt. Die Eltern können an dem von der Klinikseelsorge gestalteten Bestattungsritual teilnehmen, wenn sie möchten. „Für viele Eltern ist es sehr wichtig, noch einmal Abschied zu nehmen“, sagt Ott. Außerdem gebe es am Josefinum einmal im Jahr eine Gedenkfeier für die verstorbenen Kinder.

Bestattungsexperte Wirthmann sieht eine zunehmende Sensibilität in der Gesellschaft, was die Arbeit von Hospizen und Gruppen betrifft, die Eltern unterstützen. Sie zeigt sich auch im neuen Personenstandsgesetz, das im Mai 2013 in Kraft trat. So können jetzt Eltern Kinder, die mit weniger als 500 Gramm tot geboren wurden, namentlich beim Standesamt melden und ins Geburtsregister eintragen lassen. Sie geben ihnen damit offiziell eine Existenz.

In der Regel ist es auch möglich, einen toten Embryo im Familiengrab oder in einem eigenen Grab zu bestatten. Nicht alle Friedhofssatzungen ermöglichen das, doch nach Wirthmanns Erfahrung bieten viele den Eltern sehr gute Wege an. „Durch den gesellschaftlichen Wandel trauen sich immer weniger Friedhofsverwalter, Dinge einzufordern, die weiteren Schmerz verursachen.“ Zunächst sei es nachvollziehbar, dass Angehörige ihre Verstorbenen bei sich haben wollen. Doch in einem weiteren Schritt der Trauer könne das Bestatten im eigenen Garten zu einem Problem werden, sagt er. So sei der Friedhof ein Ort der Begegnung mit dem Toten und der eigenen Trauer, an dem man verweile, aber auch wieder gehe – zurück ins Leben. Im eigenen Garten sei das anders.

Die Reimers haben ihr erstes Sternchen allein beerdigt, abends, als es aufgehört hatte zu regnen. Sie segneten es mit Weihwasser und auch die beiden Geschwister und sangen „Guten Abend, gute Nacht“. Jeder zündete eine Kerze an, als Marlon sagte: „Ich wünsche dem Baby ein Herz.“

Seine Mutter hatte ihm erklärt, dass das Baby kein Herz gehabt habe und deshalb nicht leben konnte. Sie ist froh über einen so intimen Abschied, den auch ihr zweites totes Kind, ihr zweites Sternchen, erhielt. Und: „Ich würde mir wünschen, dass Frauen sich mehr trauen, über ihre Erlebnisse zu reden.“

Manchmal setzt sie sich auf den Mauervorsprung neben dem Gedenkstein. „Es tut so gut, dort kurz zu verweilen und eine Kerze anzuzünden“, sagt sie. Auf dem Regal im Wohnzimmer stehen neben dem Hochzeitsalbum die letzten Ultraschall-Aufnahmen der beiden Kleinen. Inzwischen sind Melanie und Stefan Reimer wieder guten Mutes, dass es doch eines Tages klappt mit dem dritten Kind.

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