Ermittler hoffen nach Zugunglück auf dritte Black-Box
Helfer bergen nach dem Zugunglück in Bad Aibling den letzten Fahrtenschreiber. Der ist beschädigt. Ein Fahrdienstleiter soll im letzten Moment versucht haben, die Züge aufzuhalten.
Die Suche nach der Ursache für das Zugunglück im oberbayerischen Bad Aibling geht voran. Im Laufe des Vormittags schafften es die Helfer, die dritte Black Box aus dem total beschädigten Triebwagen des zweiten Zugs zu bergen. Wegen des frontalen Zusammenstoßes waren die Triebköpfe extrem ineinander verkeilt. Weil die Metallteile unter hoher Spannung standen, mussten die Helfer sehr vorsichtig vorgehen.
Ob die Aufzeichnungen der dritten Black Box wie erhofft zur Auflösung der Geschehnisse beitragen können, ist allerdings noch unklar. Der Fahrtenschreiber wurde stark beschädigt geborgen. Trotzdem arbeite die Polizei mit Hochdruck an der Analyse der darauf befindlichen Daten, teilte ein Sprecher mit.
Aus der Auswertung der beiden zuerst geborgenen Black Boxes gingen am Donnerstag bereits neue Informationen hervor. Demnach war aus Kreisen der Ermittler vor Ort zu vernehmen, dass der aus Kolbermoor fahrende Zug beim Zusammenstoß mit 52 Kilometern pro Stunde unterwegs war. 200 Meter vor der Unfallstelle habe er ein „Halt erwartet“-Signal bekommen und das Tempo verringert. Technische Fehler oder Hinweise auf eine Missachtung der Signale konnten bei der Analyse nicht festgestellt werden, bestätigt das Bundesverkehrsministerium.
Der Spiegel berichtete am Freitag außerdem, dass der Fahrdienstleiter die aufeinander zufahrenden Züge unmittelbar vor dem Zusammenstoß aufhalten wollte. Zwei Notrufe habe er vom Stellwerk aus an die Lokführer abgegeben. Dafür soll er ein spezielles Mobilfunknetz der Bahn mit Notruffunktion verwendet haben. Einer der Anrufe soll die Lokführer kurz vor dem Aufprall erreicht haben, der andere erst danach. Von offizieller Stelle wurde das bisher nicht bestätigt.
Bad Aibling: Passierte der entscheidende Fehler im Stellwerk?
Jedoch würde es den Verdacht bestätigen, der sich über die vergangenen Tage erhärtet hat: Im Stellwerk Bad Aibling könnte der entscheidende Fehler passiert sein. Der Bahnexperte Prof. Edmund Mühlhans, ehemaliger Sachgebietsleiter Bahntechnik der Technischen Universität Darmstadt, sagte unserer Zeitung bereits am Dienstag: „Ich vermute, der Zug in Bad Aibling hat die Freigabe zum Losfahren bekommen, obwohl die Strecke bereits belegt war.“ Dies sei mithilfe eines Ersatzsignals möglich, das der Fahrdienstleiter im Stellwerk betätigen könne. Der abgesetzte Notruf könnte der Versuch gewesen sein, den vorherigen Fehler wiedergutzumachen.
Sicher ist, dass sich die Ermittler neben der Auswertung der dritten Black Box auf den Funkverkehr der beteiligten Personen konzentrieren. Auch die im Stellwerk registrierten und dokumentierten Bedienhandlungen werden laut Bundesverkehrsministerium genau geprüft. „Wenn dort ein Fehler passiert ist, lässt sich das auf jeden Fall nachvollziehen“, sagt Mühlhans.
Polizei fürchtet weitere Todesopfer
Nachdem am Donnerstag das elfte Opfer des Zugunglücks verstorben war, schweben noch weitere Passagiere in Lebensgefahr. „Der Gesundheitszustand einiger Schwerverletzter ist nach wie vor ernst“, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Es sei zu befürchten, dass es noch weitere Todesopfer geben werde.
Die Bergungsarbeiten der restlichen Zugteile verliefen derweil erfolgreich. Die schweren Geräte der Bahn räumten bereits am Donnerstag die fahrbereiten Waggons aus dem Weg. Gestern wurden auch die verkeilten Triebwagen getrennt und abtransportiert. „Jetzt müssen nur noch kleine Teile eingesammelt werden“, teilte eine Sprecherin des Technischen Hilfswerks mit. Danach werden die Schienen und Oberleitungen wieder instand gesetzt und die Strecke getestet. Wann der Zugverkehr aufgenommen werden kann, ist noch nicht sicher.
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