Experten rätseln über Unfallursache - Assistenten machen Busse sicherer
Bei einem Busunfall sterben 18 Menschen, 30 werden verletzt: Hätte dieses schreckliche Unglück verhindert werden können? Und sind unsere Reisebusse sicher? Das sagen Experten.
Warum hat der Reisebus auf der A9 Feuer gefangen? (mehr lesen Sie hier: 18 Menschen sterben nach Unfall in brennendem Reisebus) Wie konnte er innerhalb weniger Minuten komplett ausbrennen? Hätte die Katastrophe mit 18 Toten verhindert werden können? Drei verschiedene Experte haben drei verschiedene Erklärungsansätze:
Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer, hält es für wahrscheinlich, dass der Bus bereits vor dem Unfall gebrannt hat. Es sei schwer erklärbar, warum ein Bus bei einem Auffahrunfall so schnell in Flammen aufgehe, sagte Brockmann dem Bayerischen Rundfunk . Er erklärte, dass es Präzedenzfälle gebe, bei denen der Fahrer einen Brand im Motorraum, der sich im Heck befindet, zunächst nicht bemerkt habe. Der Motor sei „sehr weit weg von ihm. Der Fahrtwind drückt das Feuer auch zunächst nach hinten, sodass man lange braucht, um so einen Brand wahrzunehmen.“ Im ARD-Brennpunkt am Montagabend sagte Brockmann weiter: „Das große Problem liegt in den Innenraum-Materialien der Busse: Sie sind deutlich leichter entflammbar als die, die die Deutsche Bahn verbauen muss.“
Ein Kraftfahrtexperte des TÜV Rheinland hält eine abgerissene Kraftstoffleitung für eine mögliche Ursache: „Im Fall eines Unfalls kann es sein, dass eine Kraftstoffleitung abreißt und der Kraftstoff auf heiße Fahrzeugteile gelangt und das Ganze anfängt zu brennen“, sagte Hans-Ulrich Sander der Deutschen-Presse-Agentur. Der Tank befinde sich regelmäßig in der Mitte oder im hinteren Bereich und könne 400 bis 500 Liter Kraftstoff enthalten. „Wenn der Kraftstoff dann unter dem Bus ausläuft und alles brennt, geht es rasend schnell.“
Eine weitere mögliche Erklärung liefert Johannes Hübner , Sicherheitsexperte von der Interessenvereinigung RDA (Internationaler Bustouristik Verband): Im Armaturenbrett eines Busses sei die Elektrik des Fahrzeugs zusammengefasst; dort könnte es zu einem Kurzschluss gekommen sein. Auch wenn die Materialien in modernen Bussen feuerhemmend seien, könne sich ein Brand schnell ausbreiten. „Die Beeinträchtigung ist vor allem der Rauch, der in den Innenraum dringt“, sagte Hübner. Sobald eine Tür geöffnet oder ein Fenster eingeschlagen würde, ziehe der Rauch noch schneller durch den Bus. „Die Situation ist sehr schnell außer Kontrolle geraten“, so der Experte. Seiner Meinung nach hätte auch eine automatische Löscheinrichtung die Katastrophe kaum verhindern können. Diese könne zwar Flammen im Motor- oder im Gepäckraum bekämpfen, im Innenraum jedoch nicht. Dort sei der Einsatz chemischer Löschmittel aus Rücksicht auf die Gesundheit der Fahrgäste nicht erlaubt.
Debatte über Sicherheitslücken nach Busunglück mit 18 Toten
Doch wie können solche Unfälle in Zukunft vermieden werden? Dazu seien nicht abschaltbare Notbremssysteme wichtig, die auf Stau-Enden reagierten. Das sagte Hermann Winner, Experte für Autonomes Fahren an der TU Darmstadt, auf dpa-Anfrage. Bis Reisebusse ganz autonom fahren, werde es noch dauern. Die heutige Technik könne viele besondere Situationen noch nicht beherrschen. Für neu zugelassene Busse sind Notbremsassistenten schon seit 2015 vorgeschrieben. Bis November 2018 müssen auch ältere Busse damit nachgerüstet werden.
Bei Notbrems-Assistenten erkennen Kameras und Radarsensoren Hindernisse auf der Fahrbahn, machen mit Warnlicht und Warnton auf die Gefahr aufmerksam und bremsen automatisch, wenn der Fahrer nicht reagiert. Damit lässt sich ein Aufprall zumindest abmildern, bei den modernsten Notbremsassistenten im Idealfall auch ganz verhindern. Allerdings spare manches Busunternehmen und kaufe nicht das ganze Programm, heißt es aus Branchenkreisen. Daneben bauen Bushersteller wie Daimler oder MAN auch Abstands-, Tempo- und Spurhalteassistenten. Eine Müdigkeitserkennung schlägt Alarm, wenn der Fahrer nicht mehr richtig auf die Straße schaut. In naher Zukunft kommt für Schulbusse und Stadtbusse das virtuelle Luftbild mit Rundumsicht dazu, das dem Fahrer auf einen Blick zeigt, was im toten Winkel, neben und hinter dem Bus geschieht.
Torsten Fleischer vom Karlsruher Institut für Technologie sagte, selbstfahrende Kleinbusse seien in Berlin, im schweizerischen Sion und einigen anderen Städten seit einiger Zeit im Testbetrieb. Renommierte Auto-, Lastwagen- und Bushersteller arbeiten an selbstfahrenden Fahrzeugen. Bis selbstfahrende Fahrzeuge in Städten alltagstauglich seien, sei aber noch viel zu tun. Und dass ein autonom fahrender Bus in einen stehenden Lastwagen fährt, lasse sich nie mit absoluter Sicherheit ausschließen.
Unglücksbus hatte Hauptuntersuchung erst jüngst problemlos bestanden
Laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer war der Unglücksbus drei Jahre alt und zuletzt im April vom Tüv ohne Beanstandung überprüft worden. Der Fahrer, der den Reisebus zum Unfallzeitpunkt lenkte und am Steuer starb, war demnach seit mehr als zehn Jahren bei seiner aktuellen Firma beschäftigt und wurde vor vier Jahren für langjähriges unfallfreies und sicheres Fahren ausgezeichnet. AZ/dpa
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Kommentar zum Unglück: Nach Bus-Unfall auf A9: Für die Rettungsgasse müssen Lösungen her
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