Flüchtlingskinder dürfen endlich wieder in die Schule
Mit dem Umzug in ein Transitzentrum durften Kinder aus dem Kosovo nicht mehr in die Schule. Ein Gericht erlaubt ihnen nun den Unterrichtsbesuch. Das Urteil könnte wegweisend sein.
Anwalt Hubert Heinhold sagt es so: "Zur Menschenwürde gehört auch die Entfaltung der Persönlichkeit." Und damit das Recht, in die Schule zu gehen. Das hatte die Regierung von Oberbayern sechs kosovarischen Kindern, die mit ihren Eltern im Bayerischen Transitzentrum Manching-Ingolstadt (BayTMI) leben, zunächst verwehrt. Bis das Bayerische Verwaltungsgericht kürzlich beschloss, dass die seit mehreren Jahren in Deutschland lebenden Kinder vorerst bis zum Jahresende am Regelunterricht in der für sie zuständigen Sprengelschule teilnehmen dürfen. Dass sie dauerhaft dort lernen können, darf das Gericht in einer Eilentscheidung nicht festlegen. Dieses Rechtsmittel erlaubt nur vorläufige Beschlüsse.
Der Münchener Anwalt und Asylrechtsexperte Heinhold hatte einen Eilantrag eingereicht, nachdem die Familien über die Caritas auf ihn zugekommen waren. Und er hat recht bekommen. Seit einer Woche besuchen die Kinder nun eine Regelklasse in der Grund- und Mittelschule des Ingolstädter Stadtteils Oberhaunstadt.
Die Kinder waren mit ihren Eltern aus dem Kosovo eingereist
Wie so oft, wenn es um Asylangelegenheiten und Rechtsfragen geht, ist es etwas komplizierter. So auch in diesem Fall: Die Kinder waren 2013 und 2014 mit ihren Eltern aus dem Kosovo eingereist. Ihre Eltern beantragten Asyl, der Antrag wurde abgelehnt. Abgeschoben wurden sie aus verschiedenen Gründen aber nicht. Eine der Mütter hat inzwischen aus Krankheitsgründen einen Abschiebungsschutz, wie Heinhold erläutert. Zunächst waren die Familien dezentral untergebracht, die Kinder gingen regulär in die Schule oder den Kindergarten. 2015 und 2016 kamen sie schließlich in das Transitzentrum, mit dem täglichen Unterrichtsbesuch war es vorbei. In der Manchinger Großunterkunft gibt es fast nur Sprachunterricht direkt vor Ort, reguläre Fächer werden dort kaum unterrichtet.
Das BayTMI allerdings ist eingerichtet worden, um Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive dort einem beschleunigten Verfahren zu unterziehen und gegebenenfalls zügig abzuschieben. Schleunig geht das – wie der Fall der kosovarischen Kinder zeigt – offensichtlich nicht immer. Das Gericht argumentiert jedenfalls so: Da die Kinder und ihre Familien eben nicht nach einem beschleunigten Verfahren behandelt wurden, dürfte ihr Bildungsangebot folglich nicht verringert werden. Das sei nur bei jenen Personen statthaft, die erst kurz da sind und tatsächlich auch nicht lange bleiben.
SPD hat einen Dringlichkeitsantrag gestellt
Das Verwaltungsgericht befand, dass die Kinder zur Regelschule gehen dürfen – auch weil sie die entsprechenden Noten sowie ausreichende Deutschkenntnisse hatten und vorher zum Teil schon im normalen Unterricht waren. Heinhold interpretiert den Beschluss des Verwaltungsgerichts so: "Die Regierung muss jetzt ihr ganzes Schulsystem in den Einrichtungen differenzieren. Insofern wird das weitreichende Folgen haben." Dass nun für alle Kinder in den Transitzentren die Chance auf einen Platz im Klassenzimmer steigt, ist fraglich. Denn Deutschkenntnisse und Vorbildung sind bei allen unterschiedlich, der Aufenthaltsstatus erst recht.
Die SPD hat diese Woche einen Dringlichkeitsantrag im Landtag gestellt. Sie möchte von der Staatsregierung wissen, welche Konsequenzen sie aus den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts ziehen wird. Und sie möchte wissen, wie viele der in den Transitzentren in Manching-Ingolstadt, Deggendorf und Regensburg untergebrachten Kinder eigentlich die Regelschule besuchen müssten, das aber derzeit nicht tun.
Interessant ist auch ein anderer Aspekt: Denn das Gericht gab ebenfalls bekannt, das die Eltern der Kinder – weil das alles schon so lange dauert – gar nicht mehr verpflichtet seien, in einer besonderen Aufnahmeeinrichtung wie dem Transitzentrum zu wohnen. Fällt diese Verpflichtung weg, haben die Kinder allein deshalb schon das Recht, eine Regelschule zu besuchen. Im Kultusministerium will man sich dennoch nicht dazu äußern, wie es nach den Sommerferien mit den sechs Kindern weitergeht. Dessen Sprecher sagt nur: "Wir werden rechtzeitig eine Entscheidung treffen."
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