Für die Störche wird es in der Region eng
In diesem Jahr haben sich wieder einige der Tiere neu angesiedelt. Für Experten ist das im Grunde eine positive Nachricht. Dennoch wird manchem angst und bange.
Die Störche kennen Josef Reiber. Lässt der Landwirt aus Rammingen (Unterallgäu) den Motor seines Schleppers an, um Grünfutter für sein Vieh zu holen, starten sie von ihrem Nest. Erreicht der Bio-Bauer dann nach etwa zwei Kilometern seine Wiese, schweben die Vögel ein. Sie wissen, dass sie nach dem Mähen Regenwürmer, Mäuse und anderes Getier finden.
Immer wieder hat Reiber im letzten Herbst beobachtet, dass bis zu zehn Störche auf der Kirche landeten und teils auch übernachteten. Er dachte sich, sie suchen ein Zuhause, und wollte auf seinem Hof eines bieten. Nach Recherchen im Internet zimmerte er ein Nest aus Stahlrohr und installierte es auf einem Masten an seinem Betonsilo. Es wurde mit Holzwolle ausgekleidet und dann mit Weidenruten. Er sprühte es weiß an, damit es benutzt aussah. Er schloss sich kurz mit den Lechwerken, die die Stromleitungen auf die Schnelle vogelgerecht sicherten.
Fertig war alles am 26. Februar. Am 6. März war der erste Storch da. Als Reibers Frau einen Tag später aus dem Stallfenster schaute, waren es zwei. Die Vögel begatteten sich sofort und holten Nistmaterial, erzählt der Landwirt. Von den drei jungen Vögeln ist ein kräftiger übrig geblieben. Für Familie Reiber ist es ein schönes Erlebnis, wenn die Störche durch den Hof schweben und dabei laut klappern.
Der Weißstorchexperte Anton Burnhauser ist begeistert von Reibers Initiative. Das würde er sich auch in Kirchheim (Unterallgäu) wünschen. Berühmt ist der rostige Kran auf dem Gelände einer Holzbaufirma, den zuletzt über zehn Paare besiedelt hatten. Nachdem die Störche im Herbst abgezogen waren, wurde das marode Gerüst aus Sicherheitsgründen abgebaut.
Aus Teilen ließ Firmenchef Markus Holzheu am Rand seines Betriebsgeländes einen „Nesterbaum“ errichten. Es wurden neun Nester auf zwei Ebenen installiert. Alle waren im Frühjahr schnell besetzt, die Umsiedelungsaktion war ein voller Erfolg. Sechs Paare haben einen Bruterfolg. Einige überzählige Paare fanden kein Heim mehr. Immer noch stehen frustrierte Störche auf dem Metall-Gestänge auf der Lauer. Burnhauser schwebte vor, ihnen auf anderen Gebäuden in und um Kirchheim eine Alternative anzubieten. Doch zu seinem Leidwesen fehlt es an Angeboten.
Anders ist es im nahen Pfaffenhausen. Dort wollte ein Storch unbedingt auf der Kirche ein Nest bauen. Die Voraussetzungen waren schlecht. Das Nistmaterial rutschte immer wieder ab. Hans Roth, Inhaber der Storchenbrauerei, handelte rasch. Er errichtete auf seinem Betriebsgelände einen Masten und setzte darauf eine Nestunterlage – der Storch zog um und gründete eine Familie.
In Schwaben siedeln sich viele Störche an
In Schwaben gab es in diesem Jahr erneut etliche Neuansiedlungen, sagt Burnhauser. Kurios das Paar, das sich in Wattenweiler (Kreis Günzburg) zusammengefunden und auf einem Strommast ein Nest gebaut hat: „Beide haben eine Verletzung am rechten Bein und humpeln deutlich.“ Beinverletzungen kämen bei Störchen häufig vor, sind aber nicht immer so harmlos.
Überraschend sind für ihn immer noch die Kolonien. In Oettingen (Kreis Donau-Ries) residieren beispielsweise 18 Brutpaare. Dem Experten wird da langsam angst und bange. „Denn ohne Lebensraum kein Überleben.“ Die Nahrung reicht nicht. Die Störche müssen schon jetzt immer weiter fliegen, um genug Futter zu finden. Er denkt aber auch an die Bürger, für die der „Storchenzauber“ nicht nur angenehme Seiten hat. Sie müssen mit Schmutz und heruntergefallenem Reisig leben. Im Interesse der Störche und der Oettinger Bürger hält es Burnhauser für vertretbar, wenn Gebäude mit technischen Abweisern versehen werden.
In der Region waren Störche bis vor etwa zehn Jahren Einzelbrüter. Sie verteidigen ihr Revier aggressiv gegen Eindringlinge. Das beobachtet Burnhauser auch heute immer wieder. In Burgau (Kreis Günzburg) beispielsweise siedelte sich in diesem Jahr ein drittes Storchenpaar an. Der „Platzhirsch“ verfolgt den Neuen solange, bis er aus seinem Nahrungsbiotop verschwindet.
Kolonie-Störche reagieren anders. Sie kennen sich aus dem täglichen Miteinander und sind auch im Gelände gesellig. Die Kran-Bewohner in Kirchheim gehen sogar gemeinsam auf Futtersuche. Die Vögel sind aber auch listig: In der oberen Etage des „Nesterbaums“ hat nicht jedes der fünf Paare einen Bruterfolg. Wenn ein Nest länger verwaist ist, weil die Bewohner auf Futtersuche sind, fliegt der Nachbar hinüber und klaut Nistmaterial, erzählt Burnhauser amüsiert. Kommen Gäste, spaziert der Nestinhaber schon mal mit Imponiergehabe dorthin und vertreibt den Eindringling mit lautem Geklapper.
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