Günther Beckstein: Über Glaube, Politik und Stoiber
In seinem Buch „Die Zehn Gebote – Anspruch und Herausforderung“ befasst sich Günther Beckstein mit dem Glauben, der Politik und seiner Sicht von Stoibers Rücktritt.
Von Seite 159 an wird es richtig spannend im neuen Buch von Günther Beckstein. „Spannende Stunden in Kreuth“ steht dort auch als Überschrift – und der frühere bayerische Ministerpräsident berichtet in dem kleinen Kapitel Überraschendes über die denkwürdige CSU-Fraktionsklausur Anfang 2007, die das Ende der Amtszeit Edmund Stoibers besiegelte.
„Nein, es war kein Putsch“, schreibt Beckstein. Die Initialzündung für den Ämterwechsel ging demnach vielmehr von Stoiber aus: Stoiber habe zu ihm gesagt, er solle mit Erwin Huber sprechen – dann erst habe er mit Huber über die Aufteilung von Stoibers Ämtern diskutiert. Das Ganze sei „nicht das Ergebnis taktischer Planungen“ gewesen, schreibt er.
Dass sich diese Version nicht mit der Geschichtsschreibung und der Darstellung Stoibers deckt, weiß Beckstein. „Ich bin gespannt, wie Edmund Stoiber das sehen wird“, sagt er bei der Vorstellung seines Buches gestern in München. Er nehme für sich in Anspruch, die Geschehnisse wahrheitsgemäß wiederzugeben. Aber Menschen erlebten denselben Sachverhalt eben manchmal sehr unterschiedlich.
Eine Gebrauchsanweisung für die Freiheit
„Die Zehn Gebote – Anspruch und Herausforderung“ heißt Becksteins Buch. Auf knapp 200 Seiten hat der CSU-Mann und evangelische Christ aufgeschrieben, wie ihn Bibel und Gebote in seinem langen politischen Leben begleiten. „Die Zehn Gebote stellen nachgerade eine Gebrauchsanweisung für die Freiheit dar. Sie sind Leitplanken des Lebens.“ Mit dem Buch wolle er einen Einblick geben in seinen Versuch, „zwischen politischem Denken und christlicher Grundüberzeugung die richtigen Entscheidungen zu treffen“.
Wobei er die Unterschiede zwischen dem Handeln in Kirche und Politik durchaus deutlich macht. „In der Kirche geht es um Liebe und Wahrheit, in der Politik oft um die jeweils zweckmäßigere Lösung. In der Kirche geht es um die letzten Fragen, in der Politik nur um die vorletzten – Gott sei Dank, muss man sagen“, schreibt Beckstein.
Mehr als zehn Jahre lang hatte sich der CSU-Politiker, so erzählt er, mit dem Gedanken getragen, ein solches Buch zu schreiben. Doch nur auf Drängen des Verlegers habe er das Vorhaben nun zu Ende gebracht. Es gibt fast keine politische Fragestellung und kein politisches Thema, das Beckstein in seinem Buch ausklammert. Integration, Familienpolitik, Finanzkrise – mit all dem befasst sich der langjährige Innenminister, die Themen dabei den einzelnen Geboten zuordnend.
Er berichtet über seine Gratwanderung, Mitglied der evangelischen Landessynode zu sein und andererseits die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber verantworten zu müssen. Und er schreibt von dem Problem, vor dem Hintergrund des fünften Gebots über einen „finalen Rettungsschuss“ bei schweren Verbrechen zu entscheiden.
„Günther Beckstein ist ein guter Theologe und ein guter Lutheraner“, lobte der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich, der das Buch vorstellte. Er empfinde es als Geschenk. „Günther Beckstein ist ein Politiker, der sein Christsein ernst nimmt und danach handelt. Gut, dass es solche Politiker gibt.“
Um klare Standpunkte drückt sich Beckstein nicht herum. „Zu einer gentechnischen Selektion von Menschen darf es nicht kommen“, schreibt er mit Blick auf die Debatte über die Präimplantationsdiagnostik. Die vollständige Körperverschleierung, genannt Burka, nennt er „höchst problematisch“ – zweifelt aber, ob ein staatliches Verbot das Richtige wäre.
Überhaupt: Sehr ausführlich beschäftigt sich Beckstein mit dem Verhältnis Christentum – Islam. Er vertritt die Meinung, Thilo Sarrazins Thesen zur mangelnden Integration vieler Ausländer seien nicht falsch – aber durch das, was der SPD-Politiker etwa zu angeblich besonderen „Genen“ gesagt habe, belastet.
Und dann enthält das Buch die vielen autobiografischen Einschübe. Beckstein berichtet etwa, dass er schon bei Stoibers Kanzlerkandidatur 2002 vom Ministerpräsidentenamt geträumt habe. Er spricht von einer politischen Mitverantwortung beim Fehlkauf der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB 2007. Oder er beschreibt, dass er am Tag seines Rücktritts einen Vortrag zum Thema „Macht und Ohnmacht der Politik“ hielt. Sein Christsein habe ihm geholfen, mit der Niederlage gelassen umzugehen. Und fügt „mit einem Augenzwinkern“ an, „dass ein Ministerpräsident a. D. vor Gott keinen niedrigeren Rang hat als der Amtsträger“.
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