Hightech gegen Wildsau-Rotten
Der von der CSU herbeigeführte Beschluss, bei der Jagd auf Schwarzkittel versuchsweise auch Nachtzielgeräte einzusetzen, stößt beim Jagdverband auf Widerspruch
München Wildschweine sind besondere Tiere: hochintelligent, sehr flexibel, extrem scheu, immer hungrig und – wenn es genug Futter gibt – außerordentlich fortpflanzungsfreudig. Seit den 80er Jahren, als es größere Populationen nur in Unterfranken und im Großraum Regensburg gab, haben sich die Schwarzkittel tief ins übrige Bayern hineingefressen. Knapp 3000 Tiere wurden in der Jagdsaison 1980/81 zur Strecke gebracht. Über 62000 waren es in der Saison 2008/09. Tendenz: steigend.
Landwirte und Jäger ärgern sich über diese gefräßigen Rotten gleichermaßen. Bauern beklagen immense Schäden auf ihren Feldern und fürchten zudem die mögliche Verbreitung der Schweinepest. Jäger ernten Vorwürfe – „zu faul zum Jagen“ – und nicht selten auch Spott nach dem Motto: Die Viecher sind wohl schneller und schlauer als ihr!
CSU und FDP im Landtag haben nun – unterstützt von SPD und Grünen, aber gegen den Widerstand der Freien Wähler – ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das mit einem waidmännischen Tabu bricht: In zunächst fünf Regionen Bayerns soll den Keilern, Sauen und Bachen auch mit bisher verpönten und obendrein eigentlich verbotenen Nachtzielgeräten auf den Pelz gerückt werden. Überspitzt formuliert: Bayern bläst mit militärischer Hochtechnologie zur Jagd auf die wilden Rotten – versuchsweise.
Die Jägerschaft ist gespalten. „Das droht uns den Verband zu zersprengen“, sagt Jagdpräsident Jürgen Vocke. Zwar habe er Verständnis für die Probleme von Bauern und Jägern in den Gebieten mit großen Schwarzwild-Populationen. Und besonders groß sei die „Panik“ dort, wo es bisher wenig oder keine Wildschweine gab. Dennoch wirft er der CSU, für die er selbst lange Zeit im Landtag saß, „Aktionismus“ und „Schaufensterpolitik“ vor.
An der Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Nachtzielgeräten zweifelt Vocke in mehrfacher Hinsicht: Zum einen vermutet er, dass die Tiere durch die intensive nächtliche Bejagung von den Feldern in den Wald abgedrängt würden. „Dann habe ich vielleicht draußen die Kontrolle geschaffen, aber dafür habe ich umso größere Schäden im Wald.“ Zum anderen bliebe dann auch für Rehe und Rotwild nachts keine Ruhe mehr. „Das wäre“, so Vocke, „eine gnadenlose Jagd.“
Die Realität sei komplizierter. Die „Industrialisierung“ der Landwirtschaft und der Umbau von reinen Nadel- in Laubwälder habe Bayern zu einem „Schlaraffenland“ für Wildschweine gemacht. Die Probleme, die daraus entstehen, dürften nicht nur bei den Jägern abgeladen werden. Sie könnten nur miteinander gelöst werden. „Die Bauern müssen uns helfen“, sagt Vocke und fügt hinzu: „Ich hätte es lieber gehabt, man hätte vorher mal mit uns gesprochen.“
Diesen Vorwurf lässt der CSU-Agrarpolitiker Albert Füracker nicht gelten. Erstens sei sehr wohl mit Vocke gesprochen worden und seine Meinung sei bekannt. Zweitens sei der versuchsweise Einsatz der Nachtzielgeräte nur eines von mehreren Elementen in dem Projekt „Brennpunkt Schwarzwild“. Dazu gehörten auch die verstärkte Organisation „revierübergreifender Bewegungsjagden“ in Zusammenarbeit mit den Staatsforsten oder die politisch bereits durchgesetzte Erleichterung bei der Einrichtung von „Bejagungsschneisen“. Das sind breite Schneisen in Feldern oder zwischen Wald und Feld, auf denen die Jäger freie Sicht haben, wenn die Wildschweine queren.
Entscheidend für Füracker aber ist, dass der Einsatz von Nachtzielgeräten zunächst nur ein Versuch ist. „Was soll da Schaufensterpolitik sein? Wir probieren das jetzt aus, wissenschaftlich begleitet, und wenn ein Ergebnis vorliegt, werden wir mit allen Beteiligten reden.“
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