Immer mehr Schleuser landen in U-Haft
Die Fahrer stehen am Ende der Menschenhändler-Kette. Viele gehen das Risiko ein, erwischt zu werden. Sie treibt der Profit. Selbst wenn sie dafür ins Gefängnis gehen.
Gibt es den typischen Schleuser? Was sind das für Menschen? Frank Koller, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, umreißt diesen Personenkreis folgendermaßen: „Die gewerbsmäßigen Schleuser sind zwischen 18 und 50 Jahre alt. Diejenigen, die wir aufgreifen, kommen aus Rumänien, Bulgarien und ab und zu aus Ungarn.“ In diesen Ländern wird Koller zufolge unter anderem der illegale Transport von Flüchtlingen organisiert. Der Polizeibeamte sitzt mit seinen Kollegen an der „Balkanroute“ – die Hauptader der Schleusungen aus Südosteuropa.
Über 600 Asylsuchende – jeder von ihnen hat für die Flucht im Normalfall mehrere tausend Euro bezahlt – sind derzeit „täglich in der Sachbearbeitung“. Im Juli waren es 12.000 illegale Migranten, die an der deutsch-österreichischen Grenze im Bereich von Passau gestoppt wurden. Für August rechnet die Polizei mit 15000 Flüchtlingen.
Gegen die organisierte Kriminalität gelingt oft kein Schlag
Mit akribischer Ermittlungsarbeit werde versucht, an die Hintermänner der Schleuser zu kommen. Doch der Wunsch, einen großen Schlag gegen die organisierte Kriminalität zu führen, bleibt oft genug ein Wunsch. Die prekäre personelle Situation der Polizei angesichts des Flüchtlingszustroms, fehlende „gerichtsfeste“ Nachweise und die flexibel agierenden Menschenhändler-Organisationen, deren Bosse unsichtbar bleiben, machen große Fahndungserfolge nahezu unmöglich.
600 Euro bekommt ein Schleuser für einen Flüchtling
Übrig bleiben die Schleuserfahrer, die sich ein kleines Stück vom großen Kuchen nehmen dürfen. Koller nennt Zahlen. Danach muss ein Flüchtling für den illegalen Transport zwischen 5000 und 7000 Euro zahlen. Etwa 600 Euro bekommt der Fahrer. Wenn er 20 Personen schleust, kommt da eine ordentliche Summe zusammen. Deutlich wird aber: Der Anteil des Fahrers macht pro Flüchtling um die zehn Prozent aus. Das große Geld fließt in andere Kassen.
Trotz der geringen Aussicht, der Menschenhändler-Bosse habhaft zu werden, reagiert die Justiz inzwischen empfindlich, sagt der Sprecher der Bundespolizei im niederbayerischen Freyung. „Ist ein EU-Bürger als Schleuser das erste Mal erwischt worden, hat es früher oft genügt, eine Sicherheitsleistung zu zahlen. Das Strafverfahren fand dann später statt.“ Inzwischen wandern die gewerbsmäßigen Schleuser aus dem Ausland fast ohne Ausnahme in Untersuchungshaft. Das hat die Lage in den bayerischen Gefängnissen insgesamt verändert, wie das Justizministerium auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt. Anfang dieser Woche saßen 604 Schleuser in Justizvollzugsanstalten (JVA) des Freistaats in Untersuchungshaft. Die Zahl der Ermittlungsverfahren hat sich in den vergangenen drei Jahren deutlich erhöht: von 641 im Jahr 2012, auf 990 (2013) und 1606 im vergangenen Jahr – Tendenz steigend.
Die Gefängnisse in Grenznähe sind nicht mehr aufnahmefähig
In Grenznähe sind die Gefängnisse nicht mehr aufnahmefähig. „In den JVAs in Passau und Landshut geht nichts mehr“, sagt Koller. Das Justizministerium bestätigt: „Um die Zahl der zu inhaftierenden Schleuser bewältigen zu können, müssen diese auf Justizvollzugsanstalten in ganz Bayern verteilt werden.“ Das bedeutet dann wiederum: Beamte werden für diese Überführungsfahrten, die bis zu 400 Kilometer lang sein können, abgezogen, und fehlen für andere Aufgaben, wie das Erfassen der Flüchtlinge und nach Schleusern Ausschau zu halten.
Die Bundespolizei Freyung, zu deren Einsatzgebiet auch Passau gehört, greift mittlerweile nur noch vereinzelt Schleuser auf. Nicht, weil es weniger gibt, sondern weil die Beamten mit der Erstregistrierung der Flüchtlinge laut Koller keine Kapazitäten mehr hat. Die Landespolizei übernimmt im Rahmen der Schleierfahndung diese Aufgabe.
Entlang der Grenze bei Rosenheim ist die Situation vergleichbar. Allein zwischen Freitag und Sonntag wurden 930 illegale Grenzübertritte registriert. „Die Massenmigration bindet die Rosenheimer Bundespolizei“, stellt deren Sprecher Rainer Scharf fest. Deshalb sinkt die Zahl der „festgestellten Schleuser“. Die Zahl der Schleuser sicher nicht.
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