Ist Milch aus alten Ställen weniger Geld wert?
In 15.000 Ställen in Bayern sind die Kühe angebunden. Nun wollen Molkereien diesen Bauern weniger Milchgeld zu zahlen. Vor allem kleine Betriebe fürchten das Aus.
Ein paar Minuten hat Leonhard Eisenschmid-Strobel Zeit. Dann aber muss er in den Stall, seine Kühe melken. Und vorher noch mit dem Mähwerk über die Wiese. Täglich frisches Grünfutter für die Tiere holen – das machen längst nicht mehr alle so, sagt der Landwirt aus Langenneufnach im Kreis Augsburg. „Das ist schon ein bisschen arbeitsintensiver. Aber so ist das halt bei uns in den Stauden.“
Seinen 35 Kühen geht es nicht schlechter als in anderen Betrieben, ist er überzeugt. Der Stall ist zwar Baujahr 1981 und „ein bisschen in die Jahre gekommen“, sagt der 58-Jährige. Aber die Tiere hätten gute Bedingungen, auch wenn sie angebunden sind: Sie stehen auf Gummimatten, haben ausreichend Platz, das Gebäude ist hell und hoch, ein Lüfter sorgt für Frischluft. „Dass ich dafür jetzt bestraft werden soll, ist doch eine Sauerei“, sagt Eisenschmid-Strobel.
Was den Landwirt und viele seiner Kollegen umtreibt, sind die Neuigkeiten, die auf den jüngsten Versammlungen die Runde machten. Die Molkerei Zott, an die Eisenschmid-Strobel seit vielen Jahren liefert, will beim Milchgeld künftig nach der Art der Haltung unterscheiden. Wie es heißt, sollen Erzeuger mit einem Laufstall den üblichen Preis ausgezahlt bekommen. Wo Kühe in einem Anbindestall stehen, soll es Abzug geben. Von drei bis fünf Cent weniger pro Kilo Milch ist die Rede, aktuell liegt der Milchpreis bei 38 Cent. Der Bauer aus Langenneufnach schüttelt den Kopf. „Warum soll ich weniger bekommen, obwohl meine Milch ja nicht schlechter ist? Dann überleg ich mir gleich, ob ich aufhöre.“
„Milch aus Anbindehaltung ist gleich viel wert“, betont der Bauernverband
Die Molkerei will die Pläne nicht bestätigen. „Wir diskutieren mit unseren Milcherzeugern immer wieder intensiv über die Anforderungen des Marktes“, sagt ein Sprecher. Konkrete zeitliche oder preisliche Konzepte gebe es nicht. Beim Bayerischen Bauernverband aber ist man alarmiert. „Milch aus Anbindehaltung ist gleich viel wert und darf nicht diskriminiert werden“, sagt dessen Präsident Walter Heidl.
Vor zwei Jahren wurde das Thema schon einmal diskutiert. Die Mehrheit des Bundesrats wollte damals die ganzjährige Anbindehaltung verbieten. Vor allem in Bayern war der Aufschrei groß. Schließlich gibt es im Freistaat rund 30000 Milchviehbetriebe, in gut der Hälfte sind die Kühe angebunden. Im Oberallgäu waren es zuletzt 55 Prozent der Betriebe, im Kreis Neuburg-Schrobenhausen 60 Prozent. Vom „Todesstoß für die kleinbäuerliche Landwirtschaft“ war damals die Rede, vom drohenden „Strukturbruch“. So weit kam es nicht, Bayern stimmte gegen das Verbot.
Reinhold Mayer ärgert sich, dass er diese Diskussion schon wieder führen muss – nur, dass sie jetzt von den Molkereien getrieben wird: „Ich habe dafür kein Verständnis. Jeder schätzt die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Bayern und auf der anderen Seite knipst man den Kleinen das Licht aus.“ Mayer ist Vorsitzender der Milcherzeugergemeinschaft Augsburg-West, der 110 Bauern angehören. Etwa ein Viertel davon liefert an Zott. Die Stimmung ist schlecht, sagt Mayer. „Manche stehen mit dem Rücken zur Wand.“
Die Zahl der Anbindeställe sinkt seit Jahren. Schließlich gibt es staatliche Förderung seit geraumer Zeit nur für Laufställe. Doch diese können sich nicht alle Landwirte leisten, erklärt der Augsburger Kreisobmann Martin Mayr. Den einen fehle der Hofnachfolger, andere wirtschaften nur im Nebenerwerb. Oder es gebe zu wenig Platz für einen Stallneubau – auch, weil die Bauvorschriften verschärft wurden. So ist das auch bei Eisenschmid-Strobel. Sein Hof liegt mitten im Dorf, auf der einen Seite begrenzt durch die Hauptstraße, auf der anderen durch einen Bach. Und für ihn, sagt der 58-Jährige, rentiere sich ein Neubau ohnehin nicht mehr. Kreisobmann Mayr meint: „Die vielen kleinen Höfe, die der Verbraucher ja will, werden jetzt kaputt gemacht.“
Der Druck, die Anbindehaltung abzuschaffen, kommt von Aldi & Co.
Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Milcherzeugerverbands Bayern, kennt die Diskussionen. Getrieben würden sie vom Lebensmitteleinzelhandel, der den Ausstieg aus der Anbindehaltung forciere. Milch von freilaufenden Kühen – das ist ein Argument im Wettbewerb zwischen Aldi, Lidl und Co. „Zott ist, wie auch die Konkurrenz, gewaltig unter Druck. Aber die Molkereien sollten sich nicht zum Totengräber der kleinstrukturierten Landwirtschaft machen“, betont Seufferlein. Und er sagt: „Anbindehaltung ist nicht per se schlecht.“ Letztlich komme es darauf an, wie viel der einzelne Betrieb unternimmt, um den Komfort für die Kühe zu erhöhen. „Tierwohl hängt nicht nur vom Stall, sondern auch von der Art der Betreuung und der Fütterung ab“, sagt auch Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM).
Würde Zott tatsächlich Anbindehaltern weniger zahlen, träfe das Erzeuger in Mittel- und Unterfranken, Oberbayern und fast ganz Schwaben. Auch in Nordschwaben, wo Zott seinen Sitz hat, verhandeln die Bauern gerade neu mit der Molkerei. „Die kleinen sind jetzt schon benachteiligt“, sagt Manfred Schiele, Vorsitzender der Milcherzeugergemeinschaft Nordschwaben. Vor Jahren wurde eine Mengenstaffel eingeführt: Betriebe, die mehr Milch produzieren, bekommen einen Zuschlag – unter anderem, weil der Milchlaster dann weniger Stationen anfahren muss.
Gibt es für die anderen bald einen Abzug wegen Anbindehaltung? „Dabei wird es ja nicht bleiben“, meint Schiele. Wenn Zott vorprescht, dürften andere Molkereien nachziehen. Manche fürchten schon, dass die Molkereien irgendwann gar keine Milch mehr aus Anbindeställen abnehmen. BDM-Mann Foldenauer sagt: „Die Anbindehaltung läuft sowieso nach und nach aus. Warum muss man den Betrieben dann den Garaus machen?“
Die Diskussion ist geschlossen.
Aldi stellt Forderungen, aber einen gerechten Preis für die Milch wollen sie dauerhaft doch nicht zahlen, Hauptsache der Aldiclan verdient Milliarden.