Kunstschatz von Kunstsammler Gurlitt: Droht eine neue Hängepartie?
Die Cousine des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt erhebt Anspruch auf sein millionenschweres, umstrittenes Erbe. Doch welche Auswirkungen hat das?
Die letzte große Entscheidung stand kurz bevor, doch jetzt könnten die Karten im Fall Gurlitt noch einmal neu gemischt werden. Just in dem Moment, in dem bekannt wurde, dass das Kunstmuseum Bern das Erbe des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt annehmen will, erhob die Cousine des Kunstsammlers am Freitag Anspruch auf das Erbe inklusive millionenschwerer Kunstsammlung. Zunächst war offen, wie es weitergeht. Der Ball liegt im Spielfeld des Nachlassgerichtes in München.
Gurlitts Kunstschatz: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Gurlitt hat das Kunstmuseum Bern als Alleinerben eingesetzt, im Mai begrüßte die Familie diese Entscheidung ausdrücklich in einer gemeinsamen Erklärung. Warum erhebt die Cousine jetzt Ansprüche?
Hintergrund ist ein Gutachten, das die Cousine Uta Werner und weitere Familienmitglieder bei dem Psychiater und Juristen Helmut Hausner in Auftrag gegeben haben. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Cornelius Gurlitt nicht mehr zu einem freien Willen in der Lage und damit nicht testierfähig war, als er im Januar, wenige Monate vor seinem Tod, sein Testament aufsetzte. Die 86 Jahre alte Werner und ihr neun Jahre älterer Bruder Dietrich Gurlitt sind in der gesetzlichen Erbfolge Gurlitts nächste Verwandte, waren in seinem Testament aber übergangen worden. Dietrich distanzierte sich von dem Gutachten. Er hat im Gegensatz zu seiner Schwester auch keinen Erbschein beantragt und sprach sich nach Angaben seines Sohnes ausdrücklich dafür aus, dass die Kunstsammlung nach Bern gehen soll.
Was steht in diesem Gutachten?
"Cornelius Gurlitt litt bei der Errichtung des Testaments vom 09.01.2014 an einer leichtgradigen Demenz, einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung und einer Wahnhaften Störung", schreibt der Psychiater und Jurist Hausner, der Gurlitt allerdings nie persönlich begegnet ist. Als Grundlage für sein Gutachten hat er Dokumente wie Briefe des Kunstsammlers ausgewertet und seinen Betreuer befragt. Der 81 Jahre alte Gurlitt war Ende 2013 unter Betreuung gestellt worden. Einmal, so heißt es in dem Gutachten, beschuldigte der schwer kranke Gurlitt das Krankenhauspersonal, ihn bestohlen zu haben - nur um dann festzustellen, dass er die fraglichen 7000 Euro in einem Handtuchhalter versteckt hatte. Außerdem soll er sich permanent von Nazis verfolgt gefühlt und Angst gehabt haben, ein nationalsozialistisches Netzwerk wolle seine Kunstsammlung an sich reißen.
Gurlitt-Nachlass: Nun muss das Amtsgericht München entscheiden
Wie geht es nach den Ansprüchen der Cousine nun weiter?
Darüber muss das Amtsgericht München als zuständiges Nachlassgericht entscheiden. "Da derzeit kein Erbscheinsantrag vorliegt, findet auch keine Prüfung der Wirksamkeit des Testaments statt", hatte eine Sprecherin noch Anfang der Woche gesagt. Nach dem Antrag der Cousine ist die Situation jetzt eine andere. "Mit der Beantragung des Erbscheins muss das Amtsgericht München bei begründeten Zweifeln die Gültigkeit des Testaments überprüfen", ließen Uta Werner und weitere Familienmitglieder über ihren Sprecher mitteilen. Beim Gericht war nach Bekanntwerden des neuen Antrags am Wochenende zunächst niemand zu erreichen. Wie lange eine Überprüfung des Testamentes dauern würde, ist unklar.
Für Montag haben das Museum Bern, die Bundesregierung und der Freistaat Bayern einen gemeinsamen Pressetermin angekündigt. Bleibt es dabei?
Am Wochenende sah zunächst alles danach aus, ja. Eine Absage gab es bis zum Samstagnachmittag nicht.
Rückgabe der
Bei der "Sitzenden Frau" von Henri Matisse und dem Gemälde "Zwei Reiter am Strand" handelt es sich nach Einschätzung der Taskforce Schwabinger Kunstfund um Raubkunst. Müssen die rechtmäßigen Besitzer jetzt noch länger auf die Rückgabe warten?
Auszuschließen ist das nicht. Was mit den Bildern geschieht, solange die Erbschaft ungeklärt ist, ist noch offen. Kurz vor Gurlitts Tod stand beispielsweise eine Übergabe des berühmten Matisse-Bildes "Sitzende Frau" an die Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg kurz bevor. Solange die Erbschaft nicht geklärt war, lag die Übergabe aber wieder auf Eis. Uta Werner und Mitglieder der Gurlitt-Familie betonten, sie wollten die Rückgabe der fraglichen Bilder an die rechtmäßigen Besitzer keinesfalls weiter verzögern. "Vorsorglich stimmen die Familienmitglieder von ihrer Seite der sofortigen Rückgabe der bereits eindeutig identifizierten Raubkunst-Bilder in der Sammlung schon jetzt zu, damit durch die Prüfung des Gerichtes im Interesse der rechtmäßigen Eigentümer nicht noch mehr Zeit verloren geht", hieß es in ihrer Mitteilung. Die Familie erklärte sich zu einer "bedingungslosen Rückgabe der Raubkunst im Einklang mit den Washingtoner Prinzipien" bereit. dpa/AZ
Die Diskussion ist geschlossen.