Leere Erstaufnahmen: Wo Plätze für Flüchtlinge überflüssig sind
Erst gab es zu wenige Unterkünfte für Asylbewerber. Nun stehen vor allem Erstaufnahmeeinrichtungen leer. Was passiert mit den Gebäuden, die weiterhin Kosten verursachen?
Wie ein riesiger Schlauch liegt das provisorische Gebäude da, die weißen und silbernen Folien glitzern im Sonnenlicht. Ein Summen ist zu hören, erzeugt vom Gebläse, das der Traglufthalle ihre Stabilität verleiht. Bauzäune sind um das Gelände herum aufgebaut, neben einem großen Tor steht ein Wachhäuschen, zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma machen Rundgänge. „Unbefugten Zutritt verboten“ steht auf einem Schild am Tor.
Rund um die Uhr wird die Halle an der Berliner Allee in Augsburg bewacht. Eigentlich sollten seit März bis zu 250 Asylbewerber in dieser Behelfsunterkunft mit Schlafräumen, Duschen, Toiletten, Ess- und Aufenthaltsbereich leben; doch bislang hat noch keiner darin übernachtet. Auch die Wohncontainer neben der Halle mit Platz für weitere 150 Menschen sind unbewohnt.
Im Herbst vergangenen Jahres, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, musste die Regierung von Schwaben auf die Schnelle möglichst viel Platz für die Neuankömmlinge schaffen. Sieben bis acht Busse waren damals pro Tag auf dem Weg in Richtung Schwaben, wie Regierungspräsident Karl Michael Scheufele erzählt. Knapp ein Jahr später ist die Situation ganz anders: Nur noch ein bis zwei Busse seien es inzwischen – pro Woche, sagt Scheufele. Vor allem die Schließung der sogenannten Balkan-Route hatte einen erheblichen Rückgang der Flüchtlingszahlen zur Folge.
Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben leer
Genügend Wohnstätten für die Flüchtlinge wären nun da. Doch vor allem im Bereich der Erstaufnahme, wo sie registriert, medizinisch untersucht und vorübergehend untergebracht werden, bleiben inzwischen die Betten leer. Die Regierung von Schwaben betreibt die Alfred-Delp-Kaserne in Donauwörth als Zentrum der Erstaufnahmeeinrichtungen. Hinzu kommen neun Zweigstellen in Schwaben. Doch von denen sind gegenwärtig gerade einmal zwei in Augsburg belegt. Wie der Standort Berliner Allee stehen die anderen Unterkünfte in Bad Wörishofen und Mindelheim (Kreis Unterallgäu), in Bad Hindelang und Sonthofen (Kreis Oberallgäu), in Wertingen (Kreis Dillingen) sowie Günzburg komplett leer – und das seit Monaten.
In Zahlen ausgedrückt: Am 11. August waren von 3050 Plätzen im Bereich der Erstaufnahme lediglich 372 besetzt, also nur gut zehn Prozent. Bei der Anschlussunterbringung sieht es anders aus. In den dafür vorgesehenen 57 staatlichen Gemeinschaftsunterkünften in Schwaben waren Mitte August etwa 3600 von 4000 Plätzen besetzt.
Auch Landkreise und Kommunen haben im vergangenen Jahr noch händeringend versucht, Platz für Flüchtlinge zu schaffen – mit dem Ergebnis, dass nun Gebäude ungenutzt bleiben. Beispiel Herbertshofen im Kreis Augsburg: Dort sollte eine ehemalige Tennishalle als Not-Erstaufnahme für 200 Menschen dienen. Sie wurde hergerichtet, aber nie bezogen und jüngst wieder geräumt. In Neu-Ulm wurde ein ehemaliger Baumarkt zu einer Unterkunft für etwa 600 Flüchtlinge umgebaut. Auch dort zog noch niemand ein. Der Landkreis hält das Gebäude, in das nach eigenen Angaben ein hoher sechsstelliger Betrag investiert wurde, als „Puffer“ weiterhin bereit für den Fall, dass wieder mehr Flüchtlinge kommen.
800 freie Plätze im Landkreis Dillingen
Im Landkreis Dillingen gab es nach Auskunft von Andreas Foldenauer, Abteilungsleiter für den Bereich öffentliche Sicherheit und Ordnung, Mitte August 800 freie Plätze in dezentralen Unterkünften. 19 Häuser stünden komplett leer. Aus wirtschaftlichen Gründen sei das Landratsamt natürlich an einem Abbau der Überkapazitäten interessiert, sagt Foldenauer. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht. „Das hängt auch von der weiteren Entwicklung ab.“
Regierungspräsident Karl Michael Scheufele spricht von einem fortlaufenden Prozess. Die Behörden müssten sich immer wieder an die veränderten Bedingungen anpassen. Und eine Flüchtlingsunterkunft entstehe eben nicht von heute auf morgen: „Von den ersten Gesprächen bis zur Eröffnung vergehen viele Monate.“ Weil die Regierung von Schwaben auch nicht weiß, wie viele Asylbewerber noch in diesem Jahr kommen werden, hält sie an den Erstaufnahmeeinrichtungen fest – und will sogar noch neue eröffnen, zum Beispiel in Augsburg, in Derching (Kreis Aichach-Friedberg), in Untermeitingen (Kreis Augsburg) und in der ehemaligen Artillerie-Kaserne in Kempten. Diese Projekte könnten kurzfristig nicht mehr aufgegeben werden, heißt es.
Scheufele weist darauf hin, dass für bestehende Objekte langfristige Mietverträge gelten, die zu erfüllen sind. Vereinbarungen über sieben bis zehn Jahre seien die Regel, sagt der Regierungspräsident. Angesichts der notwendigen Investitionen gebe es für solche Immobilien auf dem Mietmarkt kaum kurzfristige Verträge. Die Traglufthalle in Augsburg hat die Regierung jedenfalls nur für ein Jahr angemietet. Der Vertrag soll nach derzeitigem Stand auch nicht verlängert werden. Davon abgesehen hat die Regierung, wie auch einige Landratsämter, einen Anmiete-Stopp verhängt.
Erstaufnahmeeinrichtungen in Gemeinschaftsunterkünfte umwandeln
Scheufele führt zwei weitere Gründe dafür an, warum die Behörde die derzeitigen Überkapazitäten beibehält: Zum einen werden wohl Familienmitglieder anerkannter Asylbewerber nachkommen. Zum anderen finden viele anerkannte Asylbewerber, die eigentlich aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen müssten, keine Wohnung auf dem freien Markt. Wenn die Zahlen der Neuankömmlinge nicht wieder drastisch steigen, dann sollen nach den Plänen der Bezirksregierung einzelne Erstaufnahmeeinrichtungen in Gemeinschaftsunterkünfte umgewandelt werden. Vergleichsweise teure Beherbergungsverträge mit Pensionen sollen aus Kostengründen gekündigt werden.
Mit solch einem Schritt hat sich das Landratsamt Donau-Ries allerdings vor einigen Tagen Ärger in der Gemeinde Asbach-Bäumenheim eingehandelt. 54 Asylbewerber sind dort bislang in einem Hotel untergebracht. Das Landratsamt will den zum Monatsende auslaufenden Mietvertrag kündigen und die Flüchtlinge in anderen Kommunen unterbringen. Bürger und der Bürgermeister wollten das nicht hinnehmen, weil die Menschen in Bäumenheim schon gut integriert seien. In einem Krisengespräch wurde ein Kompromiss gefunden: 25 Bewohner dürfen zumindest im Ort bleiben, der Rest muss umziehen.
Keine leerstehenden Unterkünfte in Oberbayern
Und wie ist die Situation in Oberbayern? Die Bezirksregierung teilt auf Anfrage mit, dass derzeit keine der von ihr betriebenen Unterkünfte in den Landkreisen Landsberg, Neuburg-Schrobenhausen und in Ingolstadt leer stehen. Allerdings soll das Gelände der sogenannten Ankunfts- und Rückführungseinrichtung in Ingolstadt künftig besser genutzt werden. Dort steht auch eine Gemeinschaftsunterkunft, die nach Angaben der Regierung von Oberbayern Mitte August nur zu etwa einem Drittel belegt war. Flüchtlinge aus der Ukraine würden in nächster Zeit auf dem Gelände untergebracht, sagt die Behörde.
Um die Städte und Gemeinden zu entlasten, hat das bayerische Kabinett bereits im April beschlossen, Asylbewerber künftig länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Bis zu sechs Monate ist das laut Gesetz nun möglich.
Unklar ist, wie viel Geld der Freistaat für den laufenden Unterhalt der sieben leeren Erstaufnahmeeinrichtungen in Schwaben bezahlt. Die Regierung von Schwaben konnte gestern auf Nachfrage keine konkreten Zahlen nennen.
Die Diskussion ist geschlossen.
Und warum kommt niemand auf die Idee, die leerstehenden Einrichtungen auch einheimischen Obdachlosen zur Verfügung zu stellen?
Oder haben notleidende einheimische Mitbürger weniger (oder gar keine) Rechte auf menschenwürdige Behandlung?