Magier des Augenblicks
Caribou hat mit "Our Love" eine der Platten des Herbstes veröffentlicht. Dass die live sogar noch besser klingt, bewies sein rauschhaftes Konzert in der Münchner Muffathalle.
Ja, es Liebe, als Caribou und seine Band die Muffathalle betreten. Die Vorfreude war auch enorm: Das Projekt des Kanadiers Dan Snaith ist unter Musikfans und -experten derzeit eines der heißesten Themen des Plattenherbstes – dank des aktuellen Albums „Our Love“, das es im Vereinigten Königreich sogar in die Top Ten schaffte. Und die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit: Das ausverkaufte Konzert ist eine beglückende Erfahrung für Publikum und Band.
Ganz in Weiß wie Zahnärzte kommen Snaith und seine drei Live-Mitstreiter auf die Bühne. Doch gebohrt wird bei Caribou nur nach den tieferen Schichten der Seele, vielleicht spuckt auch mal ein gequälter Synthesizer ein verdächtiges Geräusch aus. Das weiße Outfit steht bei Caribou für die maximale optische Zurückhaltung der Personen, für ein Verschwimmen mit dem Bühnenhintergrund, der das botanische Batik-Design des Covers von „Our Love“ aufnimmt. Sonst lenkt wenig von der Musik ab, die von der Band betont unrockig dargeboten wird: Ganz nah steht das Quartett beieinander, immer in Blickkontakt, eher wie beim Jammen im Proberaum als auf der Bühne in einer ausverkauften Halle.
Dass Snaith, der mit seiner hohen Stirn eher nach Arjen Robben als nach Popmusiker aussieht, der Chef ist, merkt man nur an ein paar kleinen Gesten in Richtung Publikum. Und daran, dass er bisweilen singt. Tatsächlich ist der weiche Falsett-Gesang bei den jüngsten Veröffentlichungen des Kanadiers nur noch ein Element unter vielen. Vor allem beim Titeltrack des aktuellen Albums, der auch das Konzert in der Muffathalle eröffnet: Immer wieder „Our Love“, mehr gibt es nicht zu sagen. Warum auch: „Our Love“ ist kein Popsong, sondern ein verspielt beginnender House-Track, der in der zweiten Hälfte plötzlich die fette Bassline und allerbeste 90er-Keyboard-Akkorde auspackt. Früher hätte man da schon mal „Rave-Hymne“ dazu gesagt.
So ein Stück zu Beginn ist natürlich ein Statement: Der Sixties-lastige, folkinspirierte Pop, den Dan Snaith unter seinem Alias einst machte, rauscht nur noch im Hintergrund. Ein Techno-Live-Act ist Caribou dennoch nicht, aber eines hat der schüchterne Snaith von der elektronischen Tanzmusik gelernt: dass manchmal ein einzelner Klang, eine kurze Akkordfolge oder auch nur ein Bass-Schlag mehr Euphorie auslösen kann als ein ganzer Song. Wenn einer dieser Momente kommt, lächelt Snaith sein Publikum an. Ein bisschen ungläubig ob der Begeisterung, die ihm entgegenschlägt, aber auch im Wissen um diese mysteriöse Magie des Augenblicks.
Es ist nur eine der musikalischen Facetten von Caribou, die die Besucher in der Muffathalle erleben dürfen. Da ist etwa der auf weiche Synthesizer-Arpeggios gebettete Soul von Stücken wie „Second Chance“, für das die Sängerin Jessy Lanza noch einmal auf die Bühne klettert – die junge Kanadierin hatte zuvor den Konzertabend mit ihrem so einfühlsamen wie basswuchtigen Autoren-R’n’B so vielversprechend eröffnet, dass einige Hallenbesucher wohl ihre Spotify-Songlisten erweitern dürften.
Am rauschhaftesten wird das Konzert aber dann, wenn sich Snaith und seine Band ganz der Psychedelik ihrer Musik hingeben, wie bei dem perkussiven „Mars“, das sich vom anfänglichen Ethno-Geklöppel zu einer kosmischen Unendlichkeit öffnet, wie sie auch die Krautrocker Can einst nicht besser hinbekommen hätten.
Den größten Trumpf hebt sich Snaith, der singt, Keyboard spielt, trommelt und beim polternden Boogie-Schüttler „Odessa“ sogar die Blockflöte auspackt, bis zum Finale auf: „Can’t Do Without You“. Für manche der Konsenshit des Sommers, ist diesem Moment aber vor allem eines: Musik, die direkt ins Emotionszentrum zielt. Ja, es ist Liebe, die durch den Saal strömt. Und es ist genug für alle da.
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