Ego-Trip auf dem Nockherberg - Aus Faust wird Horst
Wenn Politiker Goethes Faust spielen, bricht Chaos auf der Bühne aus. Denn jeder will Chef sein. Der Starkbieranstich auf dem Nockherberg steht heuer im Zeichen des politischen Riesenegos.
Falls die Staatsregierung jemals "Faust" aufführen wollte, wäre die Rollenverteilung ziemlich einfach: Faust - Horst Seehofer. Mephisto - Horst Seehofer. Gretchen - auch Horst Seehofer. Der CSU-Chef will beim diesjährigen Starkbieranstich auf dem Nockherberg der Einfachheit halber alle Hauptrollen selbst übernehmen. "Regieren ist am schönsten und am besten ganz allein", singt Seehofer-Double Christoph Zrenner. Das satirische Singspiel auf der Nockherberg-Bühne ist heuer ein Stück im Stück: Die Politiker versuchen, Goethes Klassiker aufzuführen. Doch das geht schief, weil ihnen ihre übergroßen Egos im Weg stehen.
Wie immer sitzen die echten Politiker im Publikum und amüsieren sich - oder auch nicht. Auf der Bühne hat jeder und jede nur sich selbst im Kopf: Seehofer ebenso wie der scheidende Oberbürgermeister Christian Ude (Uli Bauer), der sich ein München ohne sich nicht vorstellen kann: "Ohne mich bist du klein, ohne mich bist du nichts", besingt Ude seine Heimatstadt. Es ist voraussichtlich Udes/Bauers letzter großer Auftritt auf dem Nockherberg. "Das ist eins der ganz wenigen Ereignisse, wo tatsächlich Wehmut aufkommt", sagt der echte Ude nach dem Ende der Aufführung.
Ude, Finanzminister Markus Söder (Stephan Zinner), Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (Angela Ascher), SPD-Landeschef Florian Pronold (Stefan Murr), sie alle streben im Singspiel nach der Macht und den Hauptrollen. "Bist Du bereit, auch in Zukunft nur meine Texte zu sprechen?", fragt Seehofer seine Ministerin. "Darf ich denn niemals meine eigene Meinung haben?", will Aigner wissen. "Natürlich, aber du hättest mich vorher fragen können, wie die aussieht", kontert Seehofer. Söder ärgert sich, dass Seehofer ihm bei seinem Weg an die Spitze des Freistaats im Weg steht:
Seehofer hat am Ende auch die Idee, den Faust an die Moderne anzupassen: "Ich habe ein bayerisches Stück daraus gemacht", sagt Seehofer. "Das Stück heißt Horst." Kanzlerin Angela Merkel (Antonia von Romatowski) und Sigmar Gabriel (Sigmar Gabriel) erscheinen als Spione in Mülltonnen versteckt, um Seehofer auszuspionieren.
Singspiel nah an der Realität
Das Singspiel ist Satire und doch nah an der Realität, wie die Kronzeugen im Publikum berichten: "Die Politiker sind alle sehr treffend dargestellt", sagt Seehofers Frau Karin anschließend. Der CSU-Chef bestätigt das bereitwillig: "Es war wie in meinem richtigen Leben." "So läuft's ab." Auch das restliche Publikum ist begeistert und applaudiert frenetisch.
Auch Kabarettistin Luise Kinseher nimmt in ihrer Rolle als Fastenpredigerin "Mama Bavaria" hauptsächlich Seehofers Ego aufs Korn - und entdeckt einen neuen Maßstab für Seehofers politische Größe: Der Ministerpräsident könnte als geeigneter Lehrmeister für die nordkoreanische Diktatur dienen. Inzwischen sei sogar eine Delegation aus dem isolierten ostasiatischen Land da: "Die wollen anhand von Seehofer herausfinden, wie man Alleinherrschaft absichern kann, ohne gleich die ganze Verwandtschaft umbringen zu müssen."
Claudia Roth beschwert sich
Eigentlich erfordert es die Nockherberg-Tradition, dass die verspotteten Politiker zumindest so tun, als fänden sie die Rede komisch. Doch in fast jedem Jahr gibt es Beleidigte. Das ist heuer Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth. Sie beschwert sich anschließend im Bayerischen Fernsehen, dass Kinseher die Grünen als "Resterampe" verspottet hatte. "Das wird sie schon noch lernen", sagt die pikierte Ex-Chefin der Grünen. dpa
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