Mehr als ein Anhängsel
Edith von Welser-Ude ist nicht nur Anhängsel des SPD-Spitzenbewerbers für das Amt des Ministerpräsidenten. Mit bewegter Vergangenheit zieht sie für ihren Mann in den Wahlkampf.
Irgendwie sind sie dann doch wie ein ganz normales Ehepaar, das schon etliche gemeinsame Jahrzehnte hinter sich gebracht hat: Edith von Welser-Ude und Christian Ude. An diesem Abend im Gasthof zur Mühle im niederbayerischen Bayerbach zeigt sich das in einer kurzen Szene in geradezu klassischer Weise: Die Veranstaltung ist zu Ende. Sie will heim, er nicht. Sie will zu Hause essen, er will hier noch was trinken und einen Leberkäs. Einige Minuten bleibt unklar, wer sich wohl durchsetzen wird. Die Bedienung kommt. Ude bestellt eine Portion Leberkäs mit Kartoffelsalat. Seine Frau fügt sich ohne Gegenrede. Aber sie diktiert sogleich, wie es gemacht wird: „Du gibst mir dann mal den Teller. Dann werd’ ich auch satt und du wirst nicht so dick.“ Ude gehorcht. Wer hier der Chef ist, lässt sich nicht erkennen.
Edith von Welser-Ude: Die Frau an der Seite des SPD-Spitzenkandidats
Dass Ude zurzeit überall, egal, wo er im Freistaat hinkommt, im Mittelpunkt steht, ist klar. Der populäre SPD-Politiker, der in seinen 20 Jahren als Oberbürgermeister in München Wahlerfolge feierte, von denen die CSU in Bayern nur noch träumen kann, will es noch einmal wissen. Er tritt bei der Landtagswahl im Herbst gegen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an. Das macht die Menschen außerhalb Münchens neugierig. Und die jungen Spitzenkräfte der Bayern-SPD, Landeschef Florian Pronold und Fraktionschef Markus Rinderspacher, geraten ins Schwärmen. So viel Resonanz beim Publikum haben sie als Sozialdemokraten in Bayern noch nie erlebt.
Christian Ude beobachtet den Wahlkampf seiner Frau
An diesem Abend in Niederbayern aber ist nicht der Kandidat die Hauptperson, sondern seine Frau. Edith von Welser-Ude mischt sich auf ihre Weise in den Wahlkampf ein, als „Frau mit eigenem Profil“, wie der SPD-Fraktionschef sagt. Auch sie füllt Wirtsstuben. Knapp 80 Gäste sind in den Gasthof zur Mühle gekommen. Rinderspacher gibt den Moderator. Es ist die fünfte Veranstaltung dieser Art. Dass Christian Ude den Auftritt seiner Frau besucht, ist eine Premiere, die sich durch Zufall ergab. Die beiden haben sich ein paar Tage im nahen Bad Füssing erholt. Die warmen Quellen tun ihrem chronisch schmerzenden Rücken gut. Ude rechtfertigt sein Erscheinen mit einem Scherz: „Mich treibt das Misstrauen her, was die beiden so alles erzählen.“ Dann setzt er sich ins Publikum und bleibt erst mal ruhig.
Münchens „First Lady“: Fotografin und sechsfache Mutter
Zu erzählen hat Edith von Welser-Ude viel – und zwar von sich: von ihrem bewegten Leben als Mutter von sechs Kindern, als überzeugte Sozialdemokratin, als durchsetzungsstarke Frau unter Männern im Münchner Stadtrat, als leidenschaftliche und hoch anerkannte Fotografin, als Moderatorin einer Kochsendung bei TV München. Dass Rinderspacher sie immer wieder nach ihrem Leben als Münchens „First Lady“ fragt, nervt sie gewaltig. Schließlich hatte sie schon ein Leben, bevor sie diesen acht Jahre jüngeren Studenten und abfällig grinsenden Jungsozialisten kennenlernte, der ihr zunächst gar nicht gefiel und der sich auf einem Faschingsfest in Schwabing Hals über Kopf in sie verliebte, obwohl sie schon sechs Kinder hatte und in zweiter Ehe verheiratet war.
Aber selbstverständlich wollen auch jene privaten Geschichten erzählt werden, die den Anfang ihrer dritten Ehe begleiten. Besonders nett ist die Episode vom ersten Kennenlernen in der Zeit, als Ude noch als Journalist in München tätig war. Rinderspacher zitiert Edith von Welser (damals noch ohne -Ude) mit dem Satz: „Ich hätte nicht gedacht, dass jemand, der so gute Artikel schreibt, so bescheuert aussieht.“ Sie räumt ein, dass es ziemlich genau so war. Es sollte noch einige Jahre dauern, ehe sich die beiden auf andere Weise näherkamen.
Ehefrau von Christian Ude ist überzeugte Sozialdemokratin
Aufmerksamkeit beim überwiegend sozialdemokratisch gestimmten Publikum in Bayerbach ist der 73-Jährigen aber auch bei den ernsten Themen sicher. Sie berichtet über die schwierige Zeit, als ihre Kinder klein waren und es keine Kindergartenplätze gab. Sie berichtet über ihre Verärgerung, dass die Schulen damals die Eltern die halbe Arbeit machen ließen. Unter ihren Motiven, in die SPD einzutreten, nennt sie dies als Erstes: die Defizite in der Bildungspolitik, die sie als junge Mutter hautnah erlebte.
Doch Edith von Welser-Ude hatte in ihrer Zeit als Bezirksausschuss-Vorsitzende, Stadträtin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende auch noch weitere politische Schwerpunkte. Sie war umweltpolitische Sprecherin und stritt für Grünflächen in der Stadt. Sie war Pionierin der Frauenpolitik und half mit, in der Stadt München die erste Gleichstellungsstelle durchzusetzen. Und sie scheute nicht davor zurück, in die Männer-Domäne Bau vorzudringen und sich für eine humane Stadtentwicklung und bezahlbaren Wohnraum zu engagieren. Nach sechs Jahren im Bezirksausschuss und zwölf Jahren im Stadtrat gab sie 1990 ihre kommunalpolitischen Mandate auf. Ihr Mann wurde drei Jahre später Oberbürgermeister.
„Ich habe gedacht, es müsste auch mal ein Leben ohne Mandat geben.“
Es war ein Abschied von Ämtern, nicht von der Politik. Ihr Ziel, „sozialdemokratische Politik in Bayern zur Geltung kommen zu lassen und die Übermacht der CSU zu brechen“, hat sie nie aufgegeben. Die Antwort, worum Sozialdemokraten sich in Bayern ihrer Ansicht nach ganz konkret kümmern müssen, bleibt sie nicht schuldig: die ungleiche Entwicklung in Stadt und Land, horrende Mieten hier, leer stehende Häuser dort, Schulsterben auf dem Land, fehlende Kinderbetreuungsplätze in der Stadt. „Die großen Städte kommen einfach nicht nach, weil es viel zu wenig Personal gibt. Wir haben in München Kindertagesstätten, die leer stehen, weil wir kein Personal finden“, sagt Edith von Welser-Ude.
Dass ausgerechnet ihr 65-jähriger Mann es sein soll, der jetzt für die SPD ins Rennen geht, war für sie zunächst ganz und gar nicht selbstverständlich. „Ich habe gedacht, es müsste auch mal ein Leben ohne Mandat geben“, sagt sie. „Darauf hatte ich mich sehr gefreut.“ Als ihr Mann ihr dann sagte, er werde gegen Seehofer antreten, war sie erst mal entsetzt. „Ich habe geheult vor Wut.“ Die Ehefrau Edith von Welser-Ude musste nachgeben. Die Genossin Edith von Welser-Ude zieht in den Wahlkampf. Die Genossen in Bayerbach danken es ihr mehrfach mit herzlichem Applaus.
Ja, und dann darf, obwohl er an diesem Abend nur das „Anhängsel“ ist, auch Christian Ude noch auf die Bühne. Sein Misstrauen hat sich gelegt. „Bisher war ich mit dem, was gesagt wurde, ganz einverstanden“, sagt er. Es wird noch ein bisschen geplaudert – unter anderem über den Spaß, den die Kurgäste in Füssing damit hatten, einen Oberbürgermeister in Badehose zu begutachten – und dann gibt’s Leberkäs.
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