Mensch oder Technik – wer hat beim Zug-Unglück versagt?
Stellwerke kontrollieren und steuern den Zugverkehr. Welche Rolle das in Bad Aibling spielte, ist unklar. Die Frage nach der Ursache des Bahn-Unglücks.
Wie der Zugverkehr gesteuert wird, bekommen Fahrgäste in der Regel nicht mit. Es ist ein komplexes Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik erforderlich, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. In Bad Aibling war dies offenbar nicht der Fall.
Sind in Bad Aibling technische Fehler passiert?
Sicher ist bisher nur, dass der aus Bad Aibling kommende Zug im Moment des Zusammenstoßes nicht hätte auf der eingleisigen Strecke fahren dürfen. Ein rein technischer Fehler ist nach Meinung des Bahnexperten Prof. Edmund Mühlhans, ehemaliger Sachgebietsleiter Bahntechnik der TU Darmstadt, völlig ausgeschlossen.
Es müssen also Menschen beteiligt gewesen sein?
Eine Kombination aus technischem Defekt und menschlichem Versagen sei deutlich wahrscheinlicher. „Wenn ein Signal eine technische Störung hat, kann der Fahrdienstleiter dem Zugführer ein Ersatzsignal geben. Etwas in der Art könnte passiert sein“, erklärt Mühlhans. Leuchtet ein Signal also beispielsweise dauerhaft rot, weil ein Draht auf dem Gleis liegt, kann dem Zugführer mit einem Lichtzeichen signalisiert werden, dass er bedenkenlos weiterfahren kann. Dafür muss dieser das automatische Bremsen des Sicherungssystems PZB („Punktförmige Zugbeeinflussung“) per Knopfdruck außer Kraft setzen. Bevor ein Einsatzleiter dieses Ersatzsignal geben darf, muss er mit den umliegenden Stellwerken absprechen, ob die Strecke frei ist. Möglich sei aber auch, dass ein Lokführer ohne Erlaubnis aus dem Stellwerk die Haltesignale ignoriert hat.
Was ist die Aufgabe eines Stellwerks?
Die Hauptaufgabe eines Stellwerks ist es, für einen planmäßigen Verkehrsablauf zu sorgen. Der Fahrdienstleiter steuert von dort aus die Weichen und Signale im Bahnhof und auf der Strecke, für die er zuständig ist. Er kontrolliert den Zugverkehr und bestimmt, auf welchem Gleis ein Zug anhalten oder warten soll. Dabei orientiert er sich am bestehenden Fahrplan. Verspätet sich ein Zug, muss der Fahrdienstleiter umdisponieren.
Wie funktioniert ein Stellwerk?
Nur wenige Stellwerke in Deutschland sind laut Deutscher Bahn mit Computertechnik ausgerüstet (13 Prozent) und können Bahnstrecken automatisiert verwalten. Der häufigste Typ ist ein sogenanntes Drucktastenstellwerk (45 Prozent). Ein solches Modell ist seit 1977 auch in Bad Aibling installiert. Der Streckenabschnitt, für den ein Fahrdienstleiter zuständig ist, ist hierbei schematisch auf einem Stelltisch dargestellt. Durch Drücken von Tasten können Weichen und Signale verstellt werden. Kleine Lämpchen, die an dem Modell der Strecke angebracht sind, geben den Status an. Über ein Viertel der Stellwerke in Deutschland werden noch mechanisch betrieben. Die Fahrdienstleiter müssen dort Weichen mithilfe großer Metallhebel per Hand verstellen und Schranken selbst herunterkurbeln. In Deutschland gibt es insgesamt 3000 Stellwerke.
Wie viel Personal ist in einem Stellwerk im Einsatz?
Laut Mühlhans wird in kleinen Stellwerken wie in Bad Aibling nur ein Mitarbeiter eingesetzt. Gute Vorausplanung ist daher wichtig. Will sich der Fahrdienstleiter einen Kaffee kochen oder auf die Toilette gehen, muss er das in einer zugfreien Phase machen.
Wenn trotzdem ein Zug kommt?
Ist ein Fahrdienstleiter nicht auf dem Posten, wenn ein Zug einfährt, stehen die Signale in der Regel ohnehin auf „Halt“, der Zug bremst also von alleine ab, wenn ein Zugsicherungssystem wie das PZB installiert ist – wie auf der Strecke von Holzkirchen nach Rosenheim. Das PZB verlangsamt einen Zug automatisch, wenn er zu schnell fährt oder er ein rotes Signal passiert. Auf die Frage, was im Notfall passiert – wenn der Fahrdienstleiter beispielsweise einen Herzinfarkt erleiden würde –, wollte die Deutsche Bahn keine Antwort geben.
Kann ein Fehler versehentlich passiert sein?
Unabsichtlich auf eine falsche Taste im Kontrollzentrum des Stellwerks zu kommen, ist laut Mühlhans jedenfalls nicht möglich. „Tasten wie die für das Ersatzsignal sind mit einem Hütchen gesichert, das man erst entfernen muss“, erläutert der Bahnexperte. Das Auslösen dieser Tasten werde mitprotokolliert und könnte leicht überprüft werden.
News-Blog Teil 1: Menschliches Versagen wohl Ursache für Unglück
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