Mit Milchtankstellen und Mini-Molkereien aus der Krise
Bauern suchen nach einem Weg aus der Milch-Krise. Und haben dabei pfiffige Vermarktungsideen. Wie etwa eine Landwirtsfamilie aus dem Landkreis Landsberg. Von Manuela Mayr
Hurlach/Fischach/München. Die Zeiten, in denen die Leute im Dorf am Abend mit der Aluminium-Kanne zu Fuß zum nächsten Bauern gingen, um sich kuhwarme Milch direkt aus dem Stall zu besorgen, sind vorbei. Auch Landbewohner kaufen ihre Milch heutzutage im Supermarkt, abgefüllt in Flaschen oder Tetrapacks, pasteurisiert oder ultrahoch erhitzt, sodass sie monatelang haltbar ist. Aber es gibt auch Ausnahmen. In Hurlach (Kreis Landsberg) zum Beispiel.
Auf dem Hof der Familie Dorn in der Meitinger Straße 13 ist seit etwa einem Jahr ein Automat installiert, an dem zu jeder Tages- und Nachtzeit für 50 Cent pro Liter frische, vollfette Rohmilch gezapft werden kann. Mit der Kanne und zu Fuß kommen allerdings die wenigsten Kunden.
Adrian (18) und Nikolas (16) Ruile aus Schwabmünchen fahren einmal in der Woche mit dem Auto zur "Milch-Tankstelle" und füllen dort ihre Flaschen auf. Den Automaten finden sie "cool". Die Milch schmeckt ihnen. "Den ersten halben Liter trinken wir meistens schon auf der Fahrt nach Hause", sagen sie.
Verbraucher, die sich wie die beiden jungen Männer für Milch begeistern: Das wünscht sich auch der Bauernverband. Angesichts der sinkenden Erzeugerpreise wäre ein höherer Absatz hilfreich. Fünf bis zehn Prozent mehr wären nach Ansicht von Präsident Gerd Sonnleitner möglich. In Schulen müsste der Verkauf gesteigert werden, meint er. Auch die Eis- und Backwarenindustrie sollte anstelle von Pflanzenfett wieder Butter verwenden.
"Man braucht einen sehr großen Einzugsbereich"
Könnte auch die Vermarktungsidee von Alois und Alexandra Dorn für andere eine Lösung sein? Die Bäuerin dämpft solche Hoffnungen: "Man braucht einen sehr großen Einzugsbereich, damit sich die Investition überhaupt irgendwann rechnet", sagt sie. In ihrem Fall kommen Kunden von Augsburg und Mindelheim ins Lechfeld.
Der Versuch, den Preis für die Milch etwas anzuheben, damit der Automat aus der Schweiz schneller abbezahlt ist, sei fehlgeschlagen: "Wenn wir teurer sind, kommt keiner mehr", bedauert Alexandra Dorn. Den größten Teil der Milch von rund 50 Kühen verkauft die Familie deshalb nach wie vor an eine Molkerei, die den Rohstoff zum Beispiel zu Joghurt verarbeitet.
Doch der Gedanke, wenigstens im Trinkmilch-Bereich Automaten einzusetzen, um einen Direktverkauf ohne die Zwischenstation Molkerei zu realisieren, ist noch in einer anderen Variante denkbar: Peter Smits aus Fischach (Kreis Augsburg), der bis zu seinem Ruhestand als Lebensmittel-Technologe in der Milchwirtschaft tätig war, hält eine Zusammenarbeit zwischen Bauern und Handel für möglich.
Sein Lösungsvorschlag: Auf einen Lkw, der von Hof zu Hof fährt, könnte eine Anlage installiert werden, die sämtliche Behandlungsschritte der Rohmilch im kleinen Maßstab so durchführt wie die Molkerei - von der Qualitätskontrolle über das Pasteurisieren bis zum Abfüllen. Die Prozessdaten würden registriert und könnten direkt an amtliche Stellen weitergeleitet werden, so Smits.
In Größe und Leistung könne der Automat den Bedürfnissen der Milcherzeuger und des Handels angepasst werden. Das Ganze müsse einfach einmal durchgerechnet werden, am besten in einem Projektteam. Es gehe darum, kleineren und mittleren Milcherzeugern die Chance zu geben, einen eigenen regionalen Markt aufzubauen.
Noch hat der Automat erst im Kopf des Ingenieurs Gestalt angenommen. Einen Prototyp gibt es bisher nicht. Doch falls bei einer Erzeugergemeinschaft Interesse bestünde, wäre er gerne bei der Realisierung behilflich, sagt Smits. Mit politischer Unterstützung wäre ein solches System der Trinkmilchvermarktung nach Smits¿ Einschätzung auch im Rahmen der Regionalentwicklung der EU förderfähig.
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