Notaufnahmestellen für Flüchtlinge an der Grenze überfüllt
Die Lage an der bayerisch-österreichischen Grenze bleibt angespannt. Am Dienstag kamen erneut tausende Flüchtlinge an. Die Notaufnahmestellen sind überfüllt. Doch der Strom auf der Balkanroute ist ungebrochen.
Der unverminderte Andrang von Flüchtlingen an der österreichisch-deutschen Grenze hat am Mittwoch die Kapazität der Notaufnahmestelle Freilassing im Berchtesgadener Land gesprengt. Am Morgen war das einstige Möbellager mit mehr als den dafür ausgelegten 1200 Migranten gefüllt, wie Landkreissprecher Andreas Bratzdrum sagte. Auf österreichischer Seite hätten noch knapp 1400 Flüchtlinge überwiegend aus Afghanistan, Syrien und dem Irak gewartet, um von der dortigen Polizei über die Grenze gelassen zu werden.
Die Behörden im Nachbarland seien gebeten worden, vorübergehend weniger Migranten einreisen zu lassen, erläuterte der Sprecher. Üblicherweise dürfen stündlich zwischen 30 und 40 Menschen, darunter viele Familien mit kleinen Kindern, über die Saalachbrücke nach Freilassing und damit nach Deutschland einreisen. Das Landratsamt in Bad Reichenhall forderte zusätzliche Omnibusse an, um die Flüchtlinge aus Freilassing in andere Aufnahmestellen zu bringen. "Wir brauchen Entlastung", sagte Bratzdrum. Andernfalls drohe ein vorübergehender Aufnahmestopp.
In der Nacht zum Mittwoch hatten die österreichischen Behörden erneut Tausende Flüchtlinge an die deutsche Grenze gebracht. "Wir hatten an der Grenze zwischen Achleiten und Passau am Abend bereits mehr als 1000 wartende Flüchtlinge, als um 1.00 Uhr nochmals acht voll besetzte Busse kamen", sagte der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Freyung, Frank Koller.
Insgesamt waren am Dienstag rund 5500 Migranten an der österreichisch-deutschen Grenze angekommen. Seit Tagen sind die Unterkünfte im Raum Passau überfüllt. Am Mittwochmorgen waren etwa 1700 Flüchtlinge in der Dreiländerhalle in Passau sowie 1000 Menschen in der Niederbayernhalle in Ruhstorf untergebracht. Auch in den "Paul-Hallen" in Passau warteten etwa 1000 Menschen. Dort wird derzeit ein Bereich winterfest gemacht.
Tausende Flüchtlinge auf der Balkanroute unterwegs
Eine Entspannung der Lage ist vorerst nicht in Sicht: Auf der sogenannten Balkan-Route durch Kroatien, Slowenien und Österreich Richtung Deutschland sind weiter Tausende Flüchtlinge unterwegs. In Slowenien trafen in der Nacht zum Mittwoch 2234 Flüchtlinge aus Kroatien ein, wie die slowenische Polizei mitteilte. Am Dienstag waren es 6877 gewesen.
Seitdem Ungarn vor knapp zwei Wochen seine Landgrenze zu Kroatien mit einem Sperrzaun abgeriegelt hat, sind 89.789 Menschen auf der sogenannten Balkan-Route durch Slowenien gekommen. Das kleine Alpen-Adria-Land leitet sie zur österreichischen Grenze weiter.
In Kroatien wiederum trafen in der Nacht zum Dienstag 2829 Migranten aus Serbien ein, teilte das Innenministerium auf seiner Homepage mit. Am Vortag waren es mehr als 4800 gewesen. Nach einer Vereinbarung der beiden Regierungen bringt Kroatien die Flüchtlinge seit Dienstag in Zügen nach Slowenien. Davor waren die Menschen zu Fuß über die "grüne" Grenze gegangen.
Landrat alarmiert Kanzlerin: Österreich schleust Flüchtlinge aktiv
Die Bild-Zeitung berichtet am Mittwoch, Österreich schiebe gezielt Flüchtlinge nach Bayern ab und beruft sich dabei auf Unterlagen der Bundespolizei.
Kritik kam auch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). "Wir haben zu beanstanden, dass Flüchtlinge ohne jede Vorwarnung nach Eintritt der Dunkelheit an bestimmte Stellen gefahren worden sind und dort unvorbereitet und ohne jede Vorsorge an die deutsche Grenze gekommen sind", sagte de Maizière in Berlin. Es habe intensive Gespräche zwischen beiden Ländern dazu gegeben. "Österreich hat gestern zugesagt, wieder zu einem geordneten Verfahren zurückzukehren", sagte der Minister weiter. "Ich erwarte, dass das ab sofort geschieht. Wir sind dazu auch in ständigem Kontakt."
Bereits am Dienstag hatte der Passauer Landrat Franz Meyer (CSU) einen Alarmruf an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesendet. "Der aktiven Flüchtlings-Schleusung durch die österreichischen Behörden muss sofort Einhalt geboten werden", schrieb er am Dienstag in einem Brief an die Kanzlerin. "Wir können sonst für Leib und Leben der Flüchtlinge nicht mehr garantieren."
Meyer sieht die derzeitige österreichische Flüchtlingspraxis zentral aus Wien gesteuert. Er habe auch Oberösterreich um Unterstützung gebeten, um Druck auf die Regierung in Wien auszuüben. Auch die bayerische CSU-Landesregierung hatte am Dienstag den Nachbarn Österreich wegen des Weiterleitens von Flüchtlingen in großer Zahl an die deutsche Grenze ungewöhnlich scharf kritisiert. drs, dpa, afp
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