Polizist schaut bei Schlägen weg
In Memmingen ist ein Polizist vor Gericht verurteilt worden. Er soll bei Schlägen weggeschaut haben. Das Strafmaß lag noch über dem, was der Staatsanwalt gefordert hatte.
Für den Richter ist die Sache klar: Nach seiner Ansicht hat ein 53-jähriger Polizist so getan, als habe er nicht gesehen, dass ein ihm bekannter Wirt einen Gast mit einem Stock schlug. Deshalb verurteilte das Memminger Amtsgericht den Beamten zu einem Jahr Haft auf Bewährung und 2000 Euro Geldbuße. Die Staatsanwaltschaft hatte nur eine Geldstrafe von 2700 Euro gefordert. Die Verteidigerin kündigte an, in Berufung zu gehen.
Während der Verhandlung wurde bekannt, dass der Polizist als Privatperson im Juli 2013 nachts eine Tanzbar in Memmingen aufgesucht hatte. Er wollte den Wirt, der auch ein Internet-Café betreibt, wegen eines Online-Problems sprechen. Währenddessen kam es wegen eines eingeschlafenen Betrunkenen zu einer Rangelei.
Der Polizist zeigte seinen Dienstausweis
Der Polizist gab sich zu erkennen und zeigte den Dienstausweis. Der Wirt verwies den Betrunkenen des Lokals und dieser ging nach draußen. Der Polizist folgte ihm, um eine Entschärfung der Situation bemüht. Was dann genau folgte, blieb wegen unterschiedlicher Aussagen unklar. Offenbar war aber der Wirt dem Gast gefolgt und schlug ihn mit zwei Stockhieben nieder. Freunde des Opfers waren dabei gewesen.
Der Polizist gab an, dass sich alles in Sekundenbruchteilen zugetragen habe. Schläge will er nicht gesehen haben. Erst als eine Polizeistreife eingetroffen sei, habe er von der Tat erfahren. Bei Zeugenanhörungen widersprachen sich die Beteiligten, sodass nicht geklärt werden konnte, wo genau der Gast geschlagen worden ist.
Das Opfer soll durch Hitlergrüße zur Eskalation beigetragen haben
Der Wirt, Kellner und der angeklagte Polizist sagten aus, dass der Geschlagene durch Hitlergrüße und ausländerfeindliche Parolen zur Eskalation beigetragen habe. Davon wollten die Freunde des Geschädigten jedoch nichts wissen.
Der Richter fand die Aussage des Beamten, nichts gesehen zu haben, grotesk. „Der Angeklagte erzählt uns eine abenteuerliche Geschichte“, sagte der Vorsitzende. Er sei überzeugt, dass der Polizist mindestens einen Schlag gesehen habe.
Angeklagter hat "Berufsstand in Misskredit gebracht"
Die sich widersprechenden Zeugenaussagen wertete er als alkoholbedingte Wahrnehmungsprobleme. Der Angeklagte habe sich „durch sein Gehabe in die Situation und damit seinen gesamten Berufsstand in Misskredit gebracht“. Er habe sich aufgespielt und so getan, als „sei er der Herr des Verfahrens. Ich dachte, ich lese den ,Paten‘, als ich die Akten zum ersten Mal durchgesehen habe.“ Die gesamte Polizei stehe bei solchen Fällen auf dem Prüfstand.
Die Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Einen 42-jährigen Kellner, der ebenfalls wegen Strafvereitelung angeklagt war, verurteilte das Gericht noch zu 2700 Euro Geldstrafe. Für diesen hatte die Staatsanwaltschaft hingegen einen Freispruch gefordert.
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