Probeunterricht: Grundschüler schwitzen für ihre Zukunft
Der Probeunterricht an Realschulen und Gymnasien läuft. Die Aufgaben sind streng geheim.
Joel ist aufgeregt. Gleich beginnt sein Probeunterricht am Stetten-Institut, einem Gymnasium in der Augsburger Innenstadt. Drei Tage lang muss er in Deutsch und Mathematik zeigen, was er kann. Danach steht fest, ob seine Leistung für das Gymnasium reicht.
Auch an Realschulen läuft noch bis morgen der Probeunterricht. Er richtet sich an Grundschüler, deren Schnitt im Übertrittszeugnis nicht ausreicht, um auf die gewünschte weiterführende Schule zu gehen. Auch Kinder, die von nicht staatlichen Schulen an staatliche wechseln wollen, müssen den Test ablegen. Joel etwa war vorher auf der Montessorischule.
An den Grundschulen des Freistaats gab es im letzten Schuljahr rund 105000 Viertklässler. Sieben Prozent besuchten den Probeunterricht. Am Gymnasium bestanden 1184 von 1834 Teilnehmern, an der Realschule 1679 von 5755.
Welcher Stoff behandelt wird, gleicht einem Staatsgeheimnis. Die Aufgaben werden zusammen mit denen fürs Abitur ausgeliefert, dann bis zum ersten Tag der Testphase sicher in den Tresoren der Schulen verwahrt. Die Lehrer, die mit den „Schülern auf Probe“ arbeiten und sie letztlich bewerten, haben Schweigepflicht.
Joel und seine Mitschüler wissen an diesem Morgen nur, dass sie am ersten Tag wohl einen Aufsatz schreiben müssen. Er hat sich mit seinen Eltern vorab auf den Probeunterricht vorbereitet, so gut es ohne Wissen um den Stoff eben ging. „Sogar im Spanien-Urlaub musste ich lernen“, sagt er und grinst. Seine Mutter Elisabeth Böswald-Ried fiebert mit ihrem Sohn. Ganz überzeugt vom Probeunterricht ist sie jedoch nicht. „Ich habe das Gefühl, dass drei Tage kein reelles Bild darüber abgeben, was die Kinder können.“ Dass nur in Deutsch und Mathematik geprüft werde, kann sie ebenfalls nicht nachvollziehen. Andere Eltern sehen es ähnlich.
Wann das Ziel erreicht ist
Genau dieses Argument hört man von Kritikern der Methode oft. Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) argumentiert so. Beate Merkel vom Büro des Ministerialbeauftragten für schwäbische Gymnasien erklärt hingegen: „Deutsch und Mathematik sind zwei Kernfächer.“ Man gehe davon aus, dass Schüler, die darin Leistungsfähigkeit beweisen, am Gymnasium bestehen können. Oder eben an der Realschule.
Das Ziel ist erreicht, wenn ein Schüler die Noten Drei und Vier oder besser erlangt. Steht in beiden Fächern eine Vier, können die Eltern ihr Kind auf eigene Verantwortung auf die höhere Schule schicken. Für das Gymnasium zählte im vergangenen Schuljahr 247 Mal der Elternwille. Für die Realschule ist die Zahl weitaus höher: In 1082 von 5755 Fällen lag die Entscheidung bei den Erziehungsberechtigten. Man vermute, heißt es aus dem Kultusministerium, dass „ein großer Teil“ sich dafür entscheide.
Der BLLV und die SPD im Landtag pochten zuletzt darauf, beim Übertritt nach der Grundschule dem Elternwillen mehr Platz einzuräumen als den Noten. Auch der Probeunterricht wäre dann wohl hinfällig. Jürgen Böhm, Chef der im Verband organisierten Realschullehrer in Bayern, möchte das nicht. Er hält es für sinnvoll, dass Kinder im Zweifel in den Stoff der 5. Klasse hineinschnuppern. Dann würden viele von ihnen erst „den Willen zeigen, dass sie’s können“.
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