Prozess um Autobahnschütze: Freispruch oder 141 Jahre Knast
Verteidiger und Ankläger fordern im Autobahnschützen-Prozess sehr unterschiedliche Strafen für den Lastwagenfahrer, der jahrelang auf wehrlose Verkehrsteilnehmer schoss.
Kurz zuckte der Angeklagte zusammen, als Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen am Ende seines Plädoyers addierte: Sieben Jahre Haft für den Mordversuch an einer ahnungslosen Frau auf der A 3 bei Würzburg, fünf für einen zweiten Mordversuch, ein Jahr für jeden der über 120 Schüsse auf andere Lastwagen. „Würde man alles zusammenzählen, käme ich auf 141 Jahre und sechs Monate Haft“, sagte der Ankläger im Autobahnschützen-Prozess.
Autobahnschütze soll 762 Mal geschossen haben
Natürlich war das nur ein Rechenexempel. Aber es machte die Schwere des Tatvorwurfs deutlich: 762 Mal soll Michael K. binnen vier Jahren auf andere Fahrzeuge geschossen und in fünf Fällen Menschen in Lebensgefahr gebracht haben. „Sie spielten Roulette mit dem Leben anderer Verkehrsteilnehmer“, hielt Raufeisen dem 58-jährigen Lkw-Fahrer vor. Zusammenfassend forderte der Oberstaatsanwalt gestern zwölf Jahre Haft.
Seit August dauert der Prozess in Würzburg an. Die Anklage ist auf die 172 eindeutigsten Fälle verschlankt, von denen 46 vorläufig eingestellt wurden – zuletzt auch einer der fünf, in denen die Anklage auf versuchten Mord lautet. „Die 172 Schüsse sind nur die Spitze des Eisberges“, sagte der Staatsanwalt. Nicht einmal der Schütze selber wisse, wie oft er geschossen habe. Michael K. beharrte bis zuletzt darauf: „Ich habe niemanden töten wollen.“
Versuchter Mord in vier Fällen
Raufeisen sah die Merkmale des versuchten Mordes in vier Fällen für erfüllt. Zu Anfang habe K. „zum Frustabbau geschossen“, hielt ihm Raufeisen vor. Mit dem Wechsel auf eine Waffe größeren Kalibers sei „das Motiv der Lust des Schießens“ dazugekommen. Die Verteidiger blieben bei der Linie, die sie den ganzen Prozess hindurch vertreten hatten: Die Wahlverteidiger Franz-Josef Krichel und Guido Reitz zeigten sich am Montag in ihren Plädoyers überzeugt, ihr Mandant müsse von der Anklage des versuchten Mordes freigesprochen werden.
Denn für das umfassende Sammeln von Autokennzeichen durch das Bundeskriminalamt (BKA), das zur Festnahme von K. geführt hatte, gebe es keine Rechtsgrundlage. Deshalb sei die Verwertung aller darauf aufbauenden Beweise verboten. Die Strafkammer um den Vorsitzenden Burkhard Pöpperl hingegen hatte betont, dass sie die Datensammlung rechtlich geprüft und angesichts der Schwere der Vorwürfe für richtig erklärt habe. Diese Frage wird wohl den Bundesgerichtshof beschäftigen – ganz gleich, wie das Urteil gegen den Autobahnschützen ausfällt. Pflichtverteidiger Nikolaus Gwosdek forderte wie die Wahlverteidiger eine Haftstrafe von sechs Jahren für fahrlässige Körperverletzung, vielfache Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Waffengesetz.
Das Urteil soll am 30. Oktober verkündet werden.
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