„Reichsbürger“ misshandelt dreijährigen Stiefsohn - 14 Monate Haft
Ein 28-jähriger Ostallgäuer misshandelt seinen dreijährigen Stiefsohn. Vor Gericht versucht er, das Verfahren zu stören. Das Urteil: 14 Monate Haft ohne Bewährung.
Ein 28-jähriger Ostallgäuer hatte im September 2015 auf seinen dreijährigen Stiefsohn aufpassen sollen. Dabei rastete er aus ungeklärtem Anlass aus und schlug dem Kleinkind mehrmals auf das nackte Gesäß. Der Junge erlitt zahlreiche Blutergüsse. Vor dem Kaufbeurer Amtsgericht machte der Angeklagte, der offenbar den „Reichsbürgern“ nahesteht, keine Angaben zur Sache. Richter Sebastian Pottkamp hatte aber nach der Beweisaufnahme keinerlei Zweifel, dass der Mann den Jungen damals „erheblich misshandelt“ hatte. Er sprach den mehrfach vorbestraften Angeklagten der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu 14 Monaten ohne Bewährung. Das Strafmaß lag deutlich über dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sechs Monate Haft gefordert hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zu Beginn der Verhandlung hatten der Angeklagte und ein Unterstützer versucht, das Verfahren durch Eingaben und Proteste zu torpedieren. Beide bedienten sich dabei der typischen Taktiken der Reichsbürgerbewegung, die den Staat ablehnt und der Justiz die Legitimation abspricht. Der Richter griff sofort durch und unterband die Störaktionen. Er ließ den selbst ernannten „Rechtssachverständigen“, den der Angeklagte vergeblich als Verteidiger beigeordnet haben wollte, von zwei Wachtmeistern aus dem Sitzungssaal führen. Der Mann hatte zuvor trotz wiederholter Aufforderung keine Ruhe gegeben. Zum Angeklagten, der sich nicht hinsetzen wollte, sagte der Vorsitzende: „Nehmen sie Platz. Sonst werde ich gegen Sie Ordnungshaft verhängen und ohne Sie verhandeln!“ Der 28-Jährige setzte sich daraufhin neben seinen vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger und verhielt sich ab da weitgehend unauffällig.
Auch Vorwürfe an die Mutter
Das Verfahren gegen den Mann war durch den leiblichen Vater des Kindes ins Rollen gekommen, der bei einem Besuch seines Sohnes die Verletzungen bemerkt hatte. Auch die Familie der Mutter des Buben hatte sich Sorgen gemacht und versucht, zu intervenieren. Vor Gericht wurde jetzt ein Handy-Chat verlesen, in dem die 23-Jährige von ihrer eigenen Mutter mit Vorwürfen und belastenden Fotos konfrontiert wurde. In einer ihrer Antworten hatte die junge Frau dann eingeräumt, dass ihr Mann ihr einen einmaligen „Ausrutscher“ gestanden habe.
Er sei „selbst schockiert gewesen“, als er die Bilder gesehen habe. Die Fotos waren einem medizinischen Sachverständigen zur Begutachtung vorgelegt worden. Dieser kam zu dem Schluss, dass die deutlich sichtbaren Blutergüsse auf „mehrfache und durchaus kräftige Gewalteinwirkung“ zurückzuführen sind. Das Kind lebt derzeit bei seinem leiblichen Vater. Wie dieser jetzt als Zeuge erklärte, spreche sein Sohn noch heute manchmal davon, dass ihn der „böse Onkel“ geschlagen habe.
Mutter wegen Körperverletzung angeklagt
Bei der Auswertung der Handy-Nachrichten waren die Ermittler auf einen Satz gestoßen, der darauf schließen ließ, dass auch die Mutter des Kindes schon einmal gegen ihren Sohn handgreiflich geworden war. Sie wurde daher ebenfalls wegen Körperverletzung angeklagt. Laut ihren Beteuerungen habe es sich bei dem etwa zwei Jahre zurückliegenden Vorfall nur um einen Schlag mit der flachen Hand auf die Windel gehandelt.
Der Verteidiger warb im Plädoyer um Verständnis für seine damals alleinerziehende Mandantin. Sie sei nach der Trennung vom Vater des Kindes und durch den Spagat zwischen Ausbildung und Erziehung „schlichtweg überfordert“ gewesen. Weil die Angeklagte zudem zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt war, kam auf sie noch Jugendstrafrecht zur Anwendung. Sie wurde richterlich verwarnt und zu einer Geldauflage von 225 Euro verurteilt. Ihren Sohn darf sie zu festgelegten Besuchszeiten sehen. Ihr Ehemann darf bei den Treffen nicht dabei sein. bbm
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