"Sensationsfund": 4000 Jahre alte Gräber im Allgäu entdeckt
In Jengen im Allgäu haben Archäologen die bislang südlichste Grabstätte aus der frühen Bronzezeit in Schwaben gefunden. Sie liegen wohl auf einer Handelsroute nach Augsburg.
In Jengen haben Archäologen einen Sensationsfund gemacht: Eigentlich suchten die Forscher nach frühmittelalterlichen Allemannen-Gräbern. Mit dem, was sie jetzt im Erdreich fanden, hatten sie allerdings nicht gerechnet, wie Archäologe Dr. Marcus Simm aus Kaufbeuren berichtet. Er und drei Kollegen haben auf einem Ausgrabungsgelände neben der Grundschule statt der vermuteten mittelalterlichen Relikte nämlich mehrere menschliche Überreste und Grabbeigaben aus der frühen Bronzezeit freigelegt (siehe Infokasten). „Die Gräber sind etwa 4000 Jahre alt“, sagt Simm und fügt hinzu: „Das ist hier in der Region bisher einmalig.“
Anlass für die Grabungen war laut Bürgermeister Franz Hauck ein Bauprojekt, das auf dem Areal geplant ist. Demnach sollen auf dem etwa 3000 Quadratmeter großen Grundstück neben der Schule Mehrfamilienhäuser mit 22 Wohneinheiten und einer Tiefgarage entstehen. Doch bevor mit den Bauarbeiten dort begonnen werden darf, musste das Gelände wissenschaftlich untersucht werden.
Der Grund dafür: Das Areal befindet sich auf einem sogenannten Bodendenkmal, dass den Bereich rund um die Jengener Pfarrkirche umfasst. In der Nähe des Gotteshauses wurden nämlich schon in der Vergangenheit allemannische Reihengräberfelder aus dem sechsten und siebten Jahrhundert sowie das Grab eines Reiters entdeckt, der zusammen mit Pferd und Waffen beigesetzt worden war. Und auch auf dem aktuellen Ausgrabungsgelände bei der Schule wurden laut Simm in den 1950er Jahren schon einmal Knochen gefunden.
Die Gräber liegen wohl auf einer Handelsroute nach Augsburg
Nach seinen Worten hatten die Archäologen bei den jetzigen Ausgrabungen daher wieder mittelalterliche Funde erwartet. Zehn Tage lang haben sie das Erdreich danach abgesucht. „Wir haben aber weder Allemannen noch sonstige Siedlungsreste gefunden“, sagt der Experte. Dafür stießen er und sein Team auf acht bronzezeitliche Gräber, in denen sich insgesamt neun Skelette aus der Zeit zwischen 2000 und 1600 vor Christus befanden. „In zwei Gräbern lagen zwei Personen. Eines war leer.“ Warum sei unklar. Vier der Gräber enthielten zudem Schmuck und Gegenstände aus Bronze, darunter etwa Hals- und Armringe, Gewandnadeln und Kleidungsaufsätze. „Sowohl die Knochen, als auch die Schmuckstücke sind sehr gut erhalten“, sagt Simm, der die Entdeckung als Sensationsfund bezeichnet.
Die Toten waren ihm zufolge drei Männer, drei Frauen und drei Kinder. „Die Männer wurden, wie damals üblich, mit dem Kopf nach Norden, die Frauen mit dem Kopf nach Süden und jeweils mit der Blickrichtung nach Osten in Richtung Sonnenaufgang beigesetzt“, erläutert der Archäologe. Bei den Frauen fanden die Wissenschaftler zudem zahlreiche Schmuckstücke und Grabbeigaben. „Das heißt aber nicht, dass den Männer nichts ins Grab mitgeben wurde“, erläutert der Fachmann, „im Gegenteil. Die Gräber der Männer wurden geplündert“. Und zwar schon von ihren Zeitgenossen. „Einer der Männer war noch nicht einmal verwest, als sein Grab ausgeraubt wurde“, erzählt Simm. Erkennen könne man das an der Art, wie die Knochen in der Erde lagen.
Die gefunden Grabbeigaben der Frauen lassen dem Fachmann zufolge den Schluss zu, dass die Bestatteten einer höheren sozialen Schicht angehörten. Denn Bronze sei zu der damaligen Zeit neu und besonders kostbar gewesen. „Vielleicht waren es Anführer einer Sippe“, meint der Archäologe. Wo sich die Siedlung dieser Menschen genau befand, sei bisher aber unklar. Ebenso wie die Frage, mit was sie ihren Lebensunterhalt verdienten. „Vielleicht mit Landwirtschaft, vielleicht aber auch mit Fernhandel.“ Für Letzteres spreche die Lage Jengens in der Nähe der alten Fernpass-Handelsroute von Italien über Füssen nach Augsburg. „Die hier Bestatteten haben auf jeden Fall nicht selbst auf dem Feld gearbeitet“, ist er sich der Experte sicher.
Ähnliche Funde gab es bereits im Augsburger Raum
Das Gräberfeld von Jengen ist nach Angaben des Landesamts für Denkmalpflege das derzeit südlichste bekannte Gräberfeld aus der frühen Bronzezeit in Schwaben. Ähnliche Funde aus dieser Zeit gibt es laut Dr. Marcus Simm beispielsweise im Augsburger Raum und an der Donau. Die gefundenen Knochen und Schmuckstücke wurden bereits nach München gebracht. Dort werden sie von Anthropologen und Fachleuten untersucht, restauriert und konserviert.
Bürgermeister Franz Hauck ist von den Funden begeistert: „Das wirft ein ganz neues Licht auf die Ortsgeschichte“. Wenn es nach dem Gemeindeoberhaupt geht, sollen die Fundstücke künftig in Jengen ausgestellt werden. Wie genau eine Präsentation aussehen könnte, sei derzeit aber noch unklar.
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