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Straubing
04.06.2013

Sicherungsverwahrung: Hotel hinter Gittern?

Möglichst viel Normalität hinter Gittern sollen die Zimmer im neuen Spezialgefängnis für Sicherungsverwahrung in Straubing bieten.
Foto: Fred Schöllhorn

Bayern muss Sicherungsverwahrten ein besseres Leben bieten. Das beschloss das Bundesverfassungsgericht. In Straubing entstand ein 26 Millionen teures Spezialgefängnis.

Großes Fenster, Kühlschrank, moderner Induktionsherd, Dusche und WC mit beheizbarem Handtuchhalter, hochwertige Armaturen, Sprechanlage. 15 Quadratmeter. In einem Urlaubsprospekt würde es in etwa heißen: Die Zimmer sind einfach, aber modern und funktionell eingerichtet. In diesen Appartements leben künftig Bayerns gefährlichste Verbrecher.

Das neue Haus für Sicherungsverwahrte in Straubing ähnelt einer günstigen Ferienanlage mit hohen Mauern und Stacheldraht drum herum. 47 Männer werden in den nächsten Wochen hier einziehen. Die Vergewaltiger und Mörder können sich in der Anlage tagsüber recht frei bewegen.

Neue Gebäude bieten Platz für 84 Sicherungsverwahrte

Sie können im Fitnessraum trainieren, im Freien Volleyball spielen oder auf der Sonnenterrasse Kaffee trinken. Nur ganz nach draußen können sie nicht gehen. Die Männer haben zwar ihre Haftstrafen abgesessen, sie sind aber immer noch zu gefährlich und bleiben daher eingesperrt.

Der Freistaat Bayern hat für sie ein eigenes Gefängnis im Gefängnis gebaut. 84 Männer haben in den vier Gebäuden Platz. Kosten: 26 Millionen Euro.

Die Sicherungsverwahrung muss sich vom normalen Gefängnis unterscheiden

Der Freistaat macht das nicht freiwillig. Das Bundesverfassungsgericht hat vor zwei Jahren, am 4. Mai 2011, alle Regeln zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Bis zum 1. Juni 2013 gaben die Richter dem Gesetzgeber Zeit für ein neues Gesamtkonzept.

Die Vorgaben der Karlsruher Richter waren eindeutig: Die Sicherungsverwahrung muss sich vom normalen Strafvollzug deutlich unterscheiden. Das bedeutet neben der räumlichen Trennung von den Strafgefangenen auch eine komfortablere Unterbringung.

Jeder Insasse darf sein Zimmer in der Sicherungsverwahrung selbst gestalten

Die äußeren Unterschiede zur Strafhaft sind nun augenfällig. Der Sicherungsverwahrte hat in seinem Zimmer, das nicht mehr Zelle heißt, sechs Quadratmeter mehr Platz. Er kann kochen, darf sogar Messer besitzen. Er darf sich Vorhänge anschaffen, einen Sessel und einen Flachbildfernseher.

Das Bett ist etwas breiter, die Bettwäsche kann er selbst aussuchen. Die Wände darf er verschönern, wie er will. Auch rauchen darf er im Zimmer. „Die Insassen sollen hier ein möglichst normales Leben führen“, sagt Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU).

Normalität hinter Gittern soll Ansporn für Psychotherapie sein

Die aufwendige Simulation eines normalen Lebens hinter Gittern soll die Schwerverbrecher zur Psychotherapie motivieren. Die Sicherungsverwahrung soll nicht ewig fortdauern. Ziel ist, die Gefährlichkeit der Männer so weit zu mindern, dass sie eines Tages in Freiheit entlassen werden können.

Sieben Psychologen und sieben Sozialarbeiter zusätzlich wurden daher in Straubing eingestellt. Auch das hat der Freistaat nicht freiwillig getan. Nach dem Urteil der Verfassungsrichter haben die Sicherungsverwahrten einen Rechtsanspruch auf Psychotherapie.

Der Mörder von Vanessa aus Gersthofen zieht in die neue Einrichtung

Einer, der sehr bald in der neuen Anlage wohnen wird, ist Michael W., der Mörder der kleinen Vanessa aus Gersthofen bei Augsburg. Mit einer Totenkopfmaske verkleidet hatte er die Zwölfjährige am Rosenmontag 2002 mit 21 Messerstichen in ihrem eigenen Bett getötet.

Das Medieninteresse war riesig: Der Oberstaatsanwalt vom Landgericht Augsburg,   Reinhard Nemetz, war ein gefragter Interviewpartner.
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Vanessas Mörder bleibt hinter Gittern
Foto: Fred Schöllhorn

Sein Motiv blieb ungeklärt. Der Täter kannte sein Opfer nicht. Michael W. wurde 2003 zur höchstmöglichen Jugendstrafe von zehn Jahren Haft verurteilt. Vergangenen November ordnete die Jugendkammer des Landgerichts Augsburg die nachträgliche Sicherungsverwahrung an.

Sicherungsverwahrung: Michael W. ist noch immer gefährlich

Bei Michael W. bestehe weiterhin eine hohe Wahrscheinlichkeit schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen, sagte der Vorsitzende Richter Lenart Hoesch. Der Verurteilte habe Gutachten zufolge große emotionale und soziale Defizite. Er fühle sich fremd in der realen Welt und ziehe sich daher in eine Fantasiewelt zurück.

Gewaltfantasien darüber, andere zu quälen und zu töten, bestimmten zu sehr sein Denken. Das Gericht ordnete an, dass W. zum Zweck der Therapie in die sozialtherapeutische Vollzugsanstalt nach Erlangen verlegt wird. Doch der 30-Jährige sitzt weiterhin in Straubing.

Anwalt ist unzufrieden mit den Bedingungen in der neuen Anlage

Sein Verteidiger Adam Ahmed hat vor wenigen Wochen Revision am Bundesgerichtshof eingelegt. Er hält das Urteil für „rechtlich nicht haltbar“ und ist überzeugt davon, dass spätestens der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu einer anderen Entscheidung kommt.

„Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist verfassungswidrig“, sagt Ahmed. Er ist Spezialist. Zurzeit hat er 21 Mandanten, die in Sicherungsverwahrung sind.

Und Ahmed ist von den neuen Regelungen nicht überzeugt: „Ich kann nicht erkennen, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt sind.“

Es gehe dabei nicht in erster Linie um Räumlichkeiten, sondern um Inhalte – engmaschige Therapie zum Beispiel. „Ich habe das Gefühl, die nehmen das noch zu sehr auf die leichte Schulter“, sagt der Strafverteidiger.

Jedes Bundesland entscheidet über die Ausgestaltung des Vollzugs

Mit solchen Sätzen meint er zum Beispiel die bayerische Justizministerin. Beate Merk sagt im neuen Haus für Sicherungsverwahrte in Straubing, dass Bayern jetzt eine Vorreiterrolle bei der Sicherungsverwahrung einnehme. Tatsache ist: Die meisten Bundesländer haben nach dem Urteil der Verfassungshüter nur bestehende Anstalten umgebaut.

Allein der Freistaat stampfte in kurzer Zeit eine komplett neue Einrichtung aus dem Boden. Es gibt nicht wenige, die sagen, dass Bayern dies auch am dringendsten gebraucht habe, weil sich hier die Strafhaft von der Sicherungsverwahrung praktisch kaum unterschieden habe. „Das sehe ich anders“, sagt Beate Merk und gibt der Kühlschranktür im Verwahrtenzimmer einen Schubs.

Die Ausgestaltung des Vollzugs in der Praxis ist Sache der Bundesländer. Mitte Mai hat Bayern sein Gesetz im Landtag verabschiedet. Die bayerische Regelung ist, darin sind sich Juristen weitgehend einig, restriktiver als andere im Bundesvergleich.

Die Grünen-Rechtsexpertin Christine Stahl sagte: Wir müssen uns von einer Denke verabschieden, die die Sicherungsverwahrung als verlängerten Strafvollzug sieht.“

Mehr Besuchszeiten und höherer Lohn als im regulären Strafvollzug

Künftig jedenfalls haben die Sicherungsverwahrten in Bayern nicht nur größere, schickere Zimmer, sondern auch mehr Besuchszeit: Zwölf statt fünf Stunden monatlich. Lebensmittel dürfen die Insassen einmal pro Woche bestellen statt zweimal im Monat. An heißen Tagen soll sogar Eis verkauft werden.

Die Verwahrten können arbeiten, wann sie wollen. Für die Arbeit erhalten sie mehr Geld: 20,16 Euro täglich, sagt Beate Merk. Bei Strafgefangenen sind es 11,34 Euro.

Kochkurse, Internetanschluss, Sonnenliegen - Kritiker bemängeln "Luxusknast"

Es gibt Spieleabende und Kochkurse, berichtet der Leiter der Justizvollzugsanstalt Straubing, Matthias Konopka, während sich die Gruppe die Cafeteria mit Terrasse und Brunnen anschaut. Die Gartenanlage, die im Moment noch Baustelle ist, wird begrünt und gepflastert.

Im Sommer laden Schachfelder, eine Tischtennisplatte und Sonnenliegen zum Verweilen ein. Die Bewohner dürfen telefonieren und unter Aufsicht im Internet surfen.

Für Kritiker wirkt das wie ein Luxusknast. Schließlich kostet ein Sicherungsverwahrter das Land Bayern mit mehr als 200 Euro täglich doppelt so viel wie ein Strafgefangener. „Das ist kein Luxus. Die Männer haben alle bereits eine lange Haftstrafe abgesessen“, sagt dagegen Gefängnis-Chef Konopka.

Und außerdem sei das mit dem Wohlfühlen hinter hohen Mauern so eine Sache. Die Leitlinie beschreibt Konopka so: „Größtmögliche Freiheit nach innen, größtmögliche Sicherheit nach außen.“

Der Gefängnis-Leiter weiß, wovon er spricht. Schließlich sitzen in seiner Anstalt die gefährlichsten Verbrecher. Und die Sicherungsverwahrten bleiben deshalb weiter eingesperrt, weil sie eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Auch Justizministerin Merk sagt: „Wir wissen, dass wir Sicherungsverwahrte haben, deren Gefährlichkeit wir wahrscheinlich nicht herunterfahren können.“

Jährlich wird eine Entlassung aus der Sicherungsverwahrung geprüft

In Straubing ist das zum Beispiel ein 76 Jahre alter Mann, der vielfach wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden ist. Er verweigert jede Therapie, weil er an seinen Taten nichts Unrechtes findet. Die meisten Sexualverbrecher verweigern die Therapie, sagt Konopka. Oder der „Mittagsmörder“, der seit 48 Jahren einsitzt, weil er fünf Menschen ermordet hat. Wer auch immer mit ihm zu tun hat, sagt: „Dieser Mann ist gemeingefährlich.“

Doch wie allen anderen Verwahrten muss auch diesen Insassen ein Angebot zur regelmäßigen, intensiven Therapie gemacht werden. Jedes Jahr haben die Männer die Chance, entlassen zu werden. Dann prüft die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg unter Einbeziehung von Sachverständigen-Gutachten, ob sie weiter weggesperrt bleiben müssen.

Professor aus Tübingen hält Gefährlichkeit für deutlich überschätzt

Professor Jörg Kinzig, Dekan an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen, sieht die Sicherungsverwahrung kritisch. Er hat Untersuchungen angestellt über die Rückfallgefahr bei früheren Sicherungsverwahrten. Sein Ergebnis: Die Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten werde deutlich überschätzt.

Für Kinzig steht fest: Die Regelungen zur Sicherungsverwahrung sind so kompliziert geworden, dass sie selbst für Experten nicht mehr gänzlich zu verstehen sind. „Es ist daher höchste Zeit für eine unabhängige, überparteiliche Expertenkommission, die das Thema mit langem Atem neu ordnet“, sagt Kinzig.

Mutter der getöteten Vanessa fordert mehr Engagement vom Täter

Romana Gilg ist nicht ganz glücklich, wenn sie all dies hört. Die Mutter der getöteten Vanessa hat in den beiden Prozessen gegen den Mörder ihrer Tochter zwei wesentliche Erkenntnisse gewonnen. Erstens: In Bayerns Gefängnissen ist es mit der Psychotherapie nicht weit her. Die Angebote sind zu spärlich.

Zweitens: Wenn es um die Sicherungsverwahrung geht, sollte die Beweislast umgekehrt werden. Nicht der Staat muss dem Täter nachweisen, dass der noch gefährlich ist. Sondern der Täter müsste nachweisen, dass er sich gebessert hat und keine Gefahr mehr für die Bevölkerung darstellt.

Dann wäre ausgeschlossen, dass, wie im Fall Michael W. geschehen, der Täter eine Untersuchung durch die vom Gericht benannten Gutachter verweigert.

Romana Gilg ärgert sich noch heute: „Er hat nichts gezeigt – weder dass er etwas bereut, noch dass er sich bessern will.“

Mitte Juni nimmt der "Knast im Knast" seinen Betrieb auf

Also wird Michael W. demnächst in sein 15-Quadratmeter-Appartement einziehen. Ob er dann eine Therapie macht, ist weiter seine Sache. Am 19. Juni wird offiziell die Einweihung des neuen „Knasts im Knast“ gefeiert. Im Mehzweckraum, der Konferenzzimmer und Kirche sein kann.

Die Insassen werden nicht dabei sein. Obwohl sie seit Monaten die Bauarbeiten mit Spannung und Erwartungen beobachten, wie Gefängnis-Chef Konopka berichtet.

Manche hätten sogar den Wunsch geäußert, im zweiten Stock in einem Zimmer nach Süden wohnen zu dürfen. Aber die Verteilung sei kein Wunschkonzert, sagt Konopka. „Es verstehen sich hier halt nicht alle so gut, dass man sie zusammenlegen könnte.“

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