So sollen junge Mediziner aufs Land gelockt werden
Jeder dritte Hausarzt in Bayern ist älter als 60. Vielen Praxen droht das Aus. Das das soll sich nun ändern. Wie ein Dillinger Projekt bayernweit Schule macht
Die Entscheidung mag nicht jedem seiner Studienkollegen einleuchten, für Josua Amon ist sie dennoch unumstößlich: Der Medizinstudent ist fest entschlossen, Landarzt zu werden. „Spätestens seit meinem Zweiten Staatsexamen ist mir klar geworden, dass ich als Arzt fachlich breit aufgestellt sein will“, sagt der 26-Jährige. Auch private Gründe gaben dafür den Ausschlag: Die Stadt sei nicht sein Ding, erklärt er. „Als Mountainbiker und Wildwasser-Kajakfahrer brauch’ ich was, wo ich schnell raus kann.“ Mitte November startet er am Kreiskrankenhaus in Mühldorf am Inn sein Praktisches Jahr; es ist der letzte Abschnitt seiner sechsjährigen Mediziner-Ausbildung. Amon gehört damit zu den ersten Medizin-Studenten, die von dem Förderprogramm des bayerischen Gesundheitsministeriums „Beste Landpartie Allgemeinmedizin“ (BeLA) profitieren, das jetzt im Herbst gestartet ist.
Gegen die Verpflichtung, später ihre Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin in einer ländlichen Region zu absolvieren und fünf Jahre dort als Arzt zu arbeiten, winkt jährlich 20 Nachwuchsärzten vom fünften Semester an ein monatliches Stipendium von 600 Euro sowie freie Unterkunft und Verpflegung. Schon früh werden die Studenten mit der Fachrichtung Allgemeinmedizin, der Arbeit in einer Landarztpraxis und der jeweiligen Region vertraut gemacht. Ein Hausarzt fungiert als Mentor. Hinter dem Konzept steckt die Absicht, möglichst viele in der Region ausgebildete Nachwuchsärzte dazu zu bewegen, sich dort dauerhaft niederzulassen.
Mehr junge Allgemeinmediziner aufs Land zu locken, ist angesichts der dramatischen ärztlichen Versorgung in vielen ländlichen Regionen im Freistaat bitter nötig. Denn: „Jeder dritte Hausarzt in Bayern ist derzeit über 60 Jahre alt“, stellte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) fest. Und auch für den Vorsitzenden des Bayerischen Hausarztverbandes, Dieter Geis, ist die Lage alarmierend: „Wenn wir die derzeitige Situation nicht stoppen, wird künftig in Bayern wöchentlich eine Hausarztpraxis schließen“. Zum Glück beginne sich das Blatt gerade zu wenden. „Inzwischen nimmt die Allgemeinmedizin bei den Medizinstudenten einen wesentlich höheren Stellenwert ein als noch vor 15 Jahren.“
Genau auf diesen Stimmungswandel baut das BeLA-Projekt, das derzeit in sieben bayerischen Regionen anläuft: In den südbayerischen Regionen Mühldorf am Inn und Eichstätt/Kösching, in den nordbayerischen Regionen Forchheim/Ebermannstadt, Kulmbach/Stadtsteinach, Scheßlitz/Burgebrach und dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Zugleich wird das seit 2015 laufende Pilotprojekt in der Region Dillingen unter neuer Projektflagge fortgesetzt. Die guten Erfahrungen in Dillingen hatten Huml veranlasst, die dort erprobte Hausarzt-Ausbildung nun auf weitere bayerische Regionen auszuweiten.
Dr. Ulrike Bechtel, Chefärztin an der Dillinger Kreisklinik St. Elisabeth, hatte das Konzept 2010 mit dem regionalen Praxisnetzwerk „Pradix“ entwickelt. Seit das Krankenhaus 2013 als Lehrkrankenhaus der Technischen Universität München (TUM) anerkannt wurde, werden dort Studierende praktisch ausgebildet. „Der Verbund macht es möglich, dass wir nicht nur junge Mediziner in den Landkreis locken, sondern sie auch noch besonders gut auf ihr Berufsziel Hausarzt vorbereiten“, sagt die Medizinerin. Denn ihre praktische Ausbildung absolvieren die Studenten und Weiterbildungsassistenten nicht nur an der Klinik selbst, sondern eben auch bei den Hausärzten in der Region.
Die Dillinger Erfahrungen stimmen hoffnungsvoll: Von den 14 Nachwuchsmedizinern, die 2015 und 2016 an der Dillinger Klinik und den kooperierenden Arztpraxen ihr Praktisches Jahr absolvierten, entschieden sich immerhin sechs für den Verbleib in der Region. Alle absolvieren inzwischen eine Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner, berichtet Professor Antonius Schneider von der TUM.
Dass das funktioniert, dafür steht Roman Ruef. Der junge Arzt, der gerade seine Weiterbildung zum Allgemeinarzt in einer Dillinger Hausarztpraxis absolviert, war einer der ersten, der sich für die Teilnahme an dem Pilotprojekt entschied. Von der Mediziner-Ausbildung aus einem Guss an der Dillinger Kreisklinik ist er noch heute begeistert. „Vor allem habe ich dort schon früh Kontakt zu praktizierenden Allgemeinmedizinern bekommen.“ Nach seiner Facharztausbildung will er in die Praxis seines früheren Mentors einsteigen. Zudem hat er in Dillingen sein privates Glück gefunden: Seine Frau, Fachpflegekraft für Palliativmedizin, lernte er während seiner Zeit in der Notaufnahme kennen. Inzwischen hat er in einem Dillinger Vorort ein Haus gekauft. „Für das Geld hätte ich in München allenfalls eine größere Garage bekommen“.
Die Diskussion ist geschlossen.