Stoiber und Merkel: Die an der Semmeln nagen
Edmund Stoiber hat ein neues Buch veröffentlicht. Es heißt "Weil die Welt sich ändert. Politik aus Leidenschaft - Erfahrungen und Perspektiven" und enthält einige Anekdoten.
Für Edmund Stoiber war das Frühstück von Wolfratshausen im Januar 2002 sicherlich eine Zäsur. Von da an war er der Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Vor ihm hatte dies aus der kleinen Schwesterpartei heraus nur sein großes Vorbild Franz Josef Strauß geschafft. Und für die heutige Kanzlerin Angela Merkel (CDU)? Zäsur nicht direkt, meint sie nüchtern. Nach langem Hin und Her sei das Frühstück ein "Kulminationspunkt" gewesen, "ab dem dann wieder Klarheit herrschte, wie die Dinge sind".
Stoiber-Buch "Weil die Welt sich ändert"
Da war sie wieder, die bedächtige, lauernde Angela Merkel mit dem anscheinend sicheren Instinkt für die Stunde des Zugreifens. In Wolfratshausen war der Zeitpunkt jedenfalls nicht gekommen - gegen einen bayerischen Ministerpräsidenten mit einer durchaus respektablen Bilanz im reichsten Bundesland und einer CDU, die damals noch mit der Spendenaffäre zu kämpfen hatte. Stoiber war 60, Merkel hatte (noch) Zeit.
Stoiber bescheinigt der früheren Kontrahentin in seinem neuen Buch "Weil die Welt sich ändert. Politik aus Leidenschaft - Erfahrungen und Perspektiven" (Siedler), "in diesem Januar 2002 Souveränität, Realitätssinn und Solidarität" bewiesen zu haben. Zu diesem Realitätssinn gehört wohl auch, dass sie nicht dem Kompetenzteam Stoibers angehören wollte.
Merkel: "Ein bisschen an der Semmel genagt"
Man weiß, wie die Sache ausging. Merkel entschied auch diese Konkurrenz auf lange Sicht für sich. Heute sagt sie schmunzelnd über das Frühstück: "Dann weiß ich nur, dass uns beiden nicht zum Essen zumute war. ... Jeder hat da höflichkeitshalber ein bisschen an der Semmel genagt" - obwohl das Frühstück für 20 Mann gereicht hätte.
Während ihrer gemeinsamen Wegstrecke in der Politik hätten sich beide nicht viel geschenkt, erzählt Merkel am Dienstag weiter. Bezeichnend seien die Geschenke, die sie sich gegenseitig gemacht hätten - Boxhandschuhe und Navigationsgerät. Beim Thema Atomendlager habe Stoiber ihr als Umweltministerin immer Konzepte schmackhaft machen wollen, die den Süden Deutschlands ausgenommen hätten, deutet die Kanzlerin mit ironischem Unterton an und fügt hinzu, mehr wolle sie dann am Donnerstag im Gorleben-Untersuchungsausschuss sagen.
Stoiber und der Bürokratieabbau
Mit Aufmerksamkeit verfolge sie, wie Stoiber der europäischen Bewegung zunächst mit Skepsis begegnet sei, heute aber entschieden für den Erhalt des Euros eintrete. Stoiber, der sich in Brüssel ehrenamtlich um Bürokratieabbau kümmert, zollt seinerseits der Duz-Freundin Merkel gerade für ihren Einsatz in Europa Respekt. Mehr als unter allen ihren Vorgängern werde heute von Deutschland und seiner Kanzlerin Führerschaft erwartet.
Stoiber, der an diesem Freitag 71 wird, meinte, er werde zwar immer als Aktenfresser bezeichnet, doch Merkel stehe ihm, was Akten anbetreffe, in nichts nach. Sie übertünche das nur geschickt. "Ich lese gerne Akten", kontert Merkel und fügt hinzu: "Ich will da gar nichts übertünchen." Am liebsten lese sie übrigens Akten aus der bayerischen Staatskanzlei. "Die waren immer ordentlich geführt." (dpa, AZ)
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